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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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die richtige Sonne und welche eine Spiegelung war.
    Lukas schüttelte den Kopf.
    »Es hat keinen Zweck«, brummte er. »Wir müssen warten, bis die Fata Morgana aufgehört hat. Sonst finden wir hier nie wieder heraus. Wir dürfen auch nicht mehr unnötig Kohle und Wasser verbrauchen. Wir wissen ja gar nicht, wie lange wir noch mit unserem Vorrat auskommen müssen.«
    »Wann meinst du denn, daß die Fata aufhört?« erkundigte sich Jim bedrückt.
    »Ich denke, nachts«, antwortete Lukas, »wenn es nicht mehr so heiß ist.«
    Sie zogen sich also in das Führerhäuschen zurück, um sich auszuruhen, während sie auf den Sonnenuntergang warteten. Die große Hitze machte beide schläfrig, und Lukas war eben am Einnicken, als Jim plötzlich fragte:
    »Warum sie wohl so traurig ausgesehen haben?«
    »Wer?« gähnte Lukas.
    »Alle«, antwortete Jim leise. »Bei der Erscheinung von Lummerland, mein’ ich.«
    »Kann sein, daß wir sie gerade in dem Augenblick gesehen haben, wo unser Brief angekommen ist«, meinte Lukas gedankenvoll.
    Jim seufzte tief auf. Nach einer Weile sagte er bekümmert: »Lukas, meinst du, wir sehen Lummerland noch mal wieder?«
    Lukas legte freundschaftlich seinen Arm um Jims Schulter und tröstete ihn: »Ich hab’ das sichere Gefühl, als ob wir eines schönen Tages alle drei nach Lummerland zurückkehren, du, Emma und ich.«
    Jim hob den Kopf, und seine Augen wurden größer und größer.
    »Meinst du wirklich?« fragte er hoffnungsvoll.
    »Könnte dir fast mein Wort darauf geben«, brummte Lukas. Jim wurde auf einmal ganz wunderbar leicht und fröhlich zumut, ganz so, als wären sie schon auf der Heimreise. Er wußte, wenn Lukas so etwas sagte, dann war es so gut wie sicher.
    »Meinst du, daß es bald is’?« fragte er nur noch.
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht«, erwiderte Lukas. »Ich weiß es nicht. Ist nur so ein Gefühl.«
    Und nach einer Weile fügte er hinzu: »Versuch jetzt lieber zu schlafen, Jim. Vielleicht müssen wir heut die ganze Nacht durchfahren.«
    »In Ordnung«, sagte Jim, und im selben Augenblick war er auch schon eingeschlafen.
    Aber Lukas blieb wach und dachte nach. Er machte sich ziemliche Sorgen. Als er sich eben eine neue Pfeife ansteckte und dabei in die Sonnenglut des Wüstennachmittags hinausblickte, bemerkte er, daß die Geier wiedergekommen waren. In einem großen Kreis hockten sie um Emma herum, geduldig, schweigend und erwartungsvoll. Sie schienen fest damit zu rechnen, daß die Reisenden niemals wieder aus dieser schrecklichen Wüste herausfinden würden.

Sechzehntes Kapitel
    in dem Jim Knopf eine wesentliche Erfahrung macht

    Jedermann, der einmal eine Wüste durchreist hat, weiß, daß die Sonnenuntergänge dort von ganz besonderer Pracht sind. Der Abendhimmel strahlt in allen Farben, vom feurigsten Orange bis zum zartesten Rosa, Hellgrün und Violett. Lukas und Jim saßen auf dem Dach ihrer Lokomotive und baumelten mit den Beinen. Dabei aßen sie die Reste aus dem Proviantkorb auf und tranken den letzten Tee aus der goldenen Thermosflasche.
    »Jetzt gibt’s nichts mehr, bis wir neuen Proviant finden«, meinte Lukas sorgenvoll.
    Die Hitze hatte etwas nachgelassen. Es war sogar ein leichter Wind aufgekommen, der beinahe kühl über sie hinstrich. Die Luftspiegelungen waren verschwunden, außer einer einzigen, die sich hartnäckig noch eine Weile zu halten versuchte. Es war aber nur eine ganz kleine Naturerscheinung: ein halbes Fahrrad, auf dem ein Igel saß. Es fuhr noch eine Viertelstunde lang etwas verloren in der Wüste umher, dann löste es sich auf. Jetzt durften die beiden Freunde ziemlich sicher sein, daß die eben am Horizont untergehende Sonne die wirkliche Sonne war. Und da die Sonne bekanntlich immer im Westen untergeht, konnte Lukas jetzt ganz leicht bestimmen, wo Norden war und wie er zu fahren hatte. Die Abendsonne mußte zum linken Fenster hereinschauen. Das war ganz einfach, und so dampften sie los.

    »Hoch! Hoch! Hoch die Helden aus Lummerland!«
    Als sie eine Weile unterwegs waren und die Sonne sich anschickte, hinter dem Horizont zu versinken, fiel Jim etwas Merkwürdiges auf. Bisher waren die Geier ihnen beständig hoch oben in der Luft gefolgt, aber nun drehten plötzlich alle zugleich um und flogen davon.
    Sie schienen es sogar besonders eilig zu haben. Jim teilte Lukas seine Beobachtung mit.
    »Vielleicht haben sie’s endlich aufgegeben«, knurrte Lukas zufrieden.
    Doch in diesem Augenblick stieß Emma plötzlich einen gellenden Pfiff

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