Joe - Liebe Top Secret
hinhalten, irgendetwas tun, vielleicht geschah ein Wunder. Wenigstens hätte sie dann ein paar Minuten länger gelebt. Sie war bereits eine Minute länger am Leben, als sie geglaubt hatte.
„Eins von beidem wäre gut“, antwortete Diosdado schulterzuckend. Er wandte sich an seine Wache. „Wo ist unser kleiner Prinz? Ich brauche ihn hier.“
Der Mann nickte und verließ den Raum.
Veronica fühlte sich unglaublich ruhig und bemerkenswert gefasst – wenn man bedachte, dass es nur eine Frage von Minuten war, bis sie eine Kugel im Kopf hatte.
Sie würde keinen weiteren Sonnenaufgang erleben. Sie würde Joes wunderschönes Lächeln nie wiedersehen und sein ansteckendes Lachen nie mehr hören. Sie würde keine Gelegenheit mehr bekommen, ihm zu sagen, dass sie sich geirrt hatte. Dass sie ihn wollte, solange er ihr Zeit mit ihm schenkte.
Den eigenen Tod vor Augen, ließ sie das alles so klar sehen. Sie liebte Joe Catalanotto. Was machte es schon, dass er ein Navy SEAL war? Entscheidend war, wer er war und was er tat. Höchstwahrscheinlich hatte sie sich genau deshalb in ihn verliebt. Er war in so vieler Hinsicht der Beste der Besten. Wenn er als SEAL im Risiko leben und den Tod überlisten musste, dann sei es so. Sie würde lernen, damit zurechtzukommen.
Doch sie würde keine Chance dazu haben. Die eigene Angst und Schwäche hatten sie dazu getrieben, Joe zurückzuweisen. Sie hatte die wenigen Momente Glück aufgegeben, die sie mit ihm hätte erleben können. Sie hatte auf einen langen Abschiedskuss verzichtet. Sie hatte sich ein Telefonat versagt, das aus immer wieder geflüstertem „Ich liebe dich“ bestanden hätte, statt aus steifen Entschuldigungen und kühlem Bedauern.
Wie ironisch, dass jetzt ausgerechnet sie diejenige war, die kurz davor stand, einen gewaltsamen und schrecklichen Tod zu sterben.
Vier Minuten nach sechs.
„Warum brauchen die denn so lange?“, murmelte Diosdado misstrauisch. Er lächelte Veronica zu. „Es tut mir leid, Schätzchen. Ich weiß, dass Sie es hinter sich bringen wollen. Das will ich auch. Aber sobald Prinz Tedric hereinkommt, werden wir ein kleines Spiel spielen. Wollen Sie die Regeln wissen?“
Veronica blickte in die Augen des Mannes, der sie umbringen würde. „Warum tun Sie das?“, fragte sie.
„Weil ich es kann.“ Er kniff die Augen zusammen. „Sie haben keine Angst, oder?“, fragte er.
Sie hatte entsetzliche Angst. Aber auf keinen Fall würde sie ihm das zeigen. Sie antwortete: „Ich bin traurig. Der Mann, den ich liebe, wird niemals erfahren, wie sehr ich ihn wirklich liebe.“
Diosdado lachte. „Wie tragisch“, erwiderte er. „Sie sind genauso rührselig wie der Rest von denen. Schade. Für einen Moment habe ich tatsächlich überlegt, ob ich Sie verschone.“
Fünf Minuten nach sechs.
Er hatte niemals die Absicht gehabt, sie zu verschonen. Es war lediglich ein weiteres seiner Gedankenspiele. Veronica erlaubte sich nicht, irgendeinen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu zeigen.
„Sie haben mich gar nichts über das Spiel erzählen lassen, das wir spielen werden“, fuhr der Terrorist fort. „Es heißt ‚Wer ist der Mörder?‘. Wenn Prinz Tedric hereinkommt, lege ich eine Waffe auf den Tisch hier.“ Er klopfte mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Und dann, während ich meine Waffe auf ihn richte, befehle ich ihm, die Waffe aufzuheben und Ihnen in den Kopf zu schießen.“ Er lachte. „Glauben Sie, er wird es tun?“
„Machen Sie sich keine Sorgen, dass er sich umdreht und die Waffe auf Sie richtet?“
„Prinz Tedric?“ Diosdado stieß geringschätzig den Atem aus. „Nein. Der Mann hat kein … Rückgrat.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Ihr Gehirn wird an diesen hübschen Fenstern kleben, nicht meins.“
Zögernd wurde die Tür geöffnet, und Prinz Tedric kam auf die Brücke. Er trug immer noch den Cowboyhut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Aber sein Jackett war nicht zugeknöpft. Das war seltsam – sicher ein Anzeichen seiner Verzweiflung. Veronica hatte ihn nie anders als penibel erlebt.
„Euer Hoheit“, sagte Diosdado. Er machte eine tiefe spöttische Verbeugung. „Ich glaube, Sie sind bekannt mit Miss Veronica St. John, ja?“
Tedric nickte. „Ja“, erwiderte er. „Ich kenne Ronnie.“
Ronnie?
Überrascht sah Veronica ihn an – und begegnete Joes warmem Blick.
Joe! Hier?
Die auf sie einstürmenden Emotionen waren unbeschreiblich. Veronica war nie so froh gewesen, jemanden zu sehen. In ihrem ganzen Leben
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