Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
wußte nie, wann es wieder soweit war. Mal konnte Papa Samuel mit kalter Nase und nassen Socken von der Arbeit nach Hause kommen und trotzdem vor sich hinsummen. Er stampfte und schnaufte wie ein gut gelauntes Pferd, während er sich im Vorraum den Schnee abklopfte. Und wenn er so guter Laune war, konnte es gut sein, daß er nach dem Essen und Abwaschen von seinen Abenteuern erzählte. Doch manchmal hörte Joel nur schleppende Schritte auf der Treppe und einen tiefen Seufzer, wenn Papa Samuel sich die dicke Jacke auszog. Dann war sein Gesicht verbissen, und seine Augen schauten weg.
Dann wußte Joel, daß er sich in acht nehmen mußte. Nur keinen Krach machen, keine Fragen stellen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Schnell den Tisch decken, Kartoffeln auffüllen, still essen, was Papa Samuel in der Pfanne gebraten hat, und dann rasch in seinem Zimmer verschwinden.
Zwei Sachen waren am schlimmsten: Joel wußte nicht, warum das so war, und er konnte nichts dagegen tun. Er ahnte, daß es mit seiner Mama und dem Meer zusammenhängen mußte. Mit dem Meer, das Papa Samuel aufgegeben hatte, und mit Mama, die ihn verlassen hatte. Viele Male hatte Joel in seiner Felsspalte gesessen und darüber nachgegrübelt.
Er dachte immer zuerst an das, was am schwersten war:
Wenn sein Papa aber Schiffbruch erlitten hatte, wie hatte er dann in diesem kleinen Ort in Nordschweden an Land treiben können, wo es kein Meer gab? Und wie hielt er es aus, jeden Tag hinaus in den Wald zu gehen und Bäume zu fällen, wenn es ihm doch nie gelang, den Horizont freizulegen, so daß er das offene Meer sehen konnte? Was war eigentlich geschehen? Warum wohnten sie hier, mitten in den großen dunklen Wäldern, so weit entfernt vom Meer?
Sein Papa Samuel war an der Westküste von Schweden geboren, das wußte Joel. Direkt am Meer, in einer Fischerhütte nördlich von Marstrand. Und warum war er, Joel, so hoch im Norden in Sundsvall geboren worden… Mama, denkt er, um sie geht es. Sie war es, die eines Tages, als Papa Samuel draußen im Wald arbeitete, ihren Koffer gepackt hat und mit einem Zug nach Süden gefahren ist. Sie wollte nicht bei ihnen bleiben.
Wie alt er damals war, weiß Joel nicht. Er muß noch ziemlich klein gewesen sein.
Aber die alte Westman mit dem krummen Rücken, die im Erdgeschoß wohnt, hat es ihm erzählt. Damals, als er den Schlüssel verloren hat und es draußen unter zwanzig Grad kalt war und es noch viele Stunden gedauert hätte, bis Papa Samuel heimkam. Da hat er in der dunklen Wohnung bei der alten Westman warten dürfen, wo es nach Winteräpfeln und säuerlichen Bonbons roch. Ihre Wohnung war voller Bilder vom lieben Gott. Sogar auf dem Fußabstreifer an der Tür war ein Bild von Jesus. Als er das erste Mal in ihre Wohnung gekommen war, jedenfalls das erste Mal, an das er sich erinnern konnte, hatte er nicht gewußt, wo er den schmutzigen Schnee von seinen Stiefeln abputzen sollte.
»Da, auf der Matte«, sagte die alte Westman. »Er weiß, was du denkst, und Er sieht dich überall. Warum sollte Er also nicht auch auf einem Fußabtreter sein?« Sie hatte ein Fell vor dem offenen Herd in der Küche für ihn ausgebreitet. Darauf sollte er sitzen.
Plötzlich hatte sie sich mit ihrem krummen Rücken über ihn gebeugt und gesagt:
»Deine Mutter war nicht böse. Aber sie hatte so eine Unruhe in sich. Das hab ich sofort gesehen, als sie hier einzogen. Die ganze Zeit sah sie irgendwas in der Ferne. Eines Tages ist sie zu mir runtergekommen und hat gefragt, ob du so lange bei mir bleiben könntest, bis dein Papa nach Hause kommt. Sie hätte was zu erledigen, sagte sie. Aber ich hab die Unruhe gesehen und den Koffer, der draußen im Treppenflur stand. Böse war sie trotzdem nicht. Das war nur die Unruhe in ihr. Die war da, ob sie es nun wollte oder nicht…«
Joel sitzt manchmal in seiner Felsspalte und fügt mühselig einen Gedanken an den anderen, bis er es plötzlich ganz klar vor sich sieht.
Er hat einen Papa, der Samuel heißt und sich nach dem Meer sehnt, und er hat eine Mama, in der war etwas, das Unruhe heißt.
Manchmal, wenn Papa Samuels Augen besonders dunkel gewesen sind, wartet Joel in seinem Bett ängstlich auf das leise Klirren einer Flasche draußen in der Küche. Wenn Papa Samuel denkt, Joel ist eingeschlafen, holt er die Flasche hervor.
Dann steht Joel vorsichtig auf und guckt durch das Schlüsselloch. Papa Samuel sitzt auf der Küchenbank, streicht sich wieder und wieder durch das struppige Haar und
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