Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
gespart. Davon hat er zwei Kronen weggenommen, um sich das Notizbuch zu kaufen. In dem will er alles aufschreiben. Logbuch, so heißt das. Er weiß es. Auf jedem Schiff gibt es ein Logbuch. In das schreibt der Kapitän jeden Tag, aus welcher Richtung und in welcher Stärke der Wind geweht hat, den Standort des Schiffes und ob etwas Besonderes passiert ist. Wenn ein Schiff in Gefahr gerät, muß das Logbuch unbedingt gerettet werden.
»Es ist die Bibel des Schiffes«, hat Papa Samuel gesagt. »Es erzählt die Geschichte des Schiffes.«
Während Joel darauf wartet, daß die Kartoffeln kochen, setzt er sich mit dem Notizbuch und einem Bleistift an den Küchentisch.
»Suche nach einem Hund, der unterwegs zu einem Stern ist«, schreibt er auf die Vorderseite des Notizbuches. Die ersten Buchstaben von jedem Wort unterstreicht er. SNEHDUZESI.
Das ist ja der Name von einem Geheimbund, denkt er. Ein Geheimbund, dessen Namen niemand erraten wird. Auf der ersten Seite schreibt er weiter.
»Die Suche nach einem Hund, der unterwegs zu einem Stern ist, begann am 5.März 1956. Das Wetter war gut. Klarer Himmel, vier Grad über Null, gegen Abend kälter.« Er liest, was er geschrieben hat, und er spürt, daß das Abenteuer begonnen hat. Es ist schon bereit in ihm. Plötzlich hat er eine Idee.
Das Logbuch wird er natürlich in »Celestines« Vitrine verstecken. Wenn er das Schiff vorsichtig anhebt, kann er das Logbuch darunter legen, und dort kann es niemand sehen. Das ist genau das richtige Versteck für ein Logbuch. Der Abend wird ihm unerträglich lang. Joel legt sich auf sein Bett und versucht zu lesen, aber er kann sich nicht konzentrieren. Mit Stopfnadel und Wollfaden versucht er einen Strumpf zu stopfen, der ein Loch hat. Sonst kann er das ganz gut, aber jetzt rollt sich dauernd der Wollfaden auf, und er muß alles wieder aufmachen. Er geht lieber zu Papa Samuel ins Zimmer und hört mit ihm zusammen Radio.
Mit piepsiger Stimme redet ein Mann lange darüber, wie wichtig es ist, daß Kühe genügend Platz in ihren Boxen haben.
Joel wirft Papa Samuel einen verstohlenen Blick zu. Er sitzt mit geschlossenen Augen in seinem abgewetzten Sessel. Hört er da wirklich zu? Er interessiert sich doch wohl nicht für Kühe? Plötzlich sagt Papa Samuel:
»Du, ich hab heute vergessen, Milch zu kaufen. Denkst du bitte morgen dran!«
Wenn das Abenteuer und der Geheimbund nicht entdeckt werden sollen, ist es besonders wichtig, daß er nichts falsch macht. Alles muß genau wie immer sein. »Ich vergeß es nicht«, sagt Joel. »Morgen hol ich die Milch.«
»Es ist spät«, sagt Papa Samuel. »Geh jetzt schlafen.« Joel kriecht in sein Bett und wartet.
Nach den Abendnachrichten hört er, wie Papa Samuel gurgelt. Durch eine Ritze in der Tür sieht er, wie das Licht ausgeht. Er wartet noch eine Weile, ehe er sich leise wieder anzieht. Er weiß, wo der Küchenfußboden knarrt, trotzdem tritt er genau auf die falschen Stellen, und der Boden knackt.
Joel hält die Luft an und lauscht in die Dunkelheit. Papa Samuel hat nichts gehört.
Die Skistiefel und die Jacke in der Hand, öffnet Joel die Wohnungstür und schleicht hinaus ins Treppenhaus. Er schnürt die Stiefel, knöpft die Jacke zu und zieht sich die Mütze über die Ohren. Jetzt ist er fertig. Der Geheimbund SNEHDUZESI tritt seine Expedition ins Unbekannte an…
Unten auf dem Hof ist es kalt und vollkommen still. Die Straßenlaternen werfen einen blassen gelben Schein auf die Schneehaufen. Vorsichtig schleicht Joel zum Gartentor hinaus und schaut sich um. Irgendwo in der Ferne hört er ein Auto.
Er steht unbeweglich da, bis das Geräusch erstirbt. Dann tritt er seine Wanderung durch den leeren Ort an. Ihm kommt es so vor, als ob ihn die schwarzen Fenster der dunklen Häuser ansähen, nicht umgekehrt. Und seine Stiefel knarren furchtbar laut in der Stille. Nirgends sind Menschen. Erst als er an Hultmans Schuhladen vorbeigeht, hört er hinter einem erleuchteten Fenster im ersten Stock Leute lachen.
Plötzlich hat er ein Gefühl von Geborgenheit, weil er nicht ganz allein ist. Er nimmt die lachenden Leute in seinem Geheimbund auf.
Sie werden es nie erfahren, denkt er. Aber sie können es auch nicht verhindern, daß ich sie zu Mitverschworenen mache.
Er geht hinunter zum Fluß und der hohen Brücke mit ihren mächtigen Eisenbogen. Auf einem der Bahngeleise balanciert er bis zur Mitte der Brücke. Dort beugt er sich über das Geländer und schaut aufs Eis hinunter. Dann hebt er den
Weitere Kostenlose Bücher