Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
ausgesprochen wurde in jener Nacht. Der Tod. Keiner von beiden wollte das Wort aussprechen. Trotzdem wussten sie beide, wovon sie sprachen.
»Ich versuche nicht daran zu denken«, sagte Samuel. »Damit ich keine Angst bekomme. Es reicht, dass ich mich schlecht rasiert und das eine oder andere in meinem Leben getan habe. Aber niemand soll kommen und behaupten, ich hätte Angst.«
In der Nacht sprachen sie auch über Jenny. Es kam plötzlich und unerwartet.
»Ich bereue nicht, was ich zu ihr gesagt habe. Aber du sollst wissen, dass ich sie trotzdem verstehen kann. Sie passte einfach nicht in die Wälder. Sie passte nicht zu mir. Sie hat geglaubt, ich war ein anderer, als ich bin. Und ich hab dasselbe von ihr gedacht. Außerdem ist es wahrscheinlich nicht leicht, mit mir zusammenzuleben. Mit all meinen schlechten Angewohnheiten.«
Joel hatte Kaffee gekocht. Er schenkte Samuel nach. »Aber das weißt du ja«, sagte Samuel, »dass es nicht leicht ist, mit mir zusammenzuleben.«
Joel gab keine Antwort. Er hatte nichts zu sagen. »Ich glaube, dass ihr gute Freunde werden könnt, du und Jenny«, fuhr Samuel fort. »Nichts würde mich mehr freuen als das.«
Er hob die Kaffeetasse. Aber da kamen die Schmerzen wieder. Er verzog das Gesicht.
»Ich glaub, ich leg mich lieber hin«, sagte er. »Du brauchst nicht mitzukommen. Ich schaff das allein. Du brauchst auch Schlaf.«
Joel blieb in der Küche sitzen. Er setzte sich nicht mehr in die Fensternische. Sein Kopf war leer. Verschiedene Bilder hüpften darin herum. Ohne Zusammenhang.
Nach einer Weile stand er auf und schleppte sich zu seinem Bett.
Ich werde nie wieder schlafen in meinem Leben, dachte er.
Dann war er eingeschlafen. Die Decke hatte er sich über den Kopf gezogen.
Hinterher würde sich Joel an Samuels letzte Zeit als die wichtigste erinnern, die er je mit ihm zusammen verbracht hatte.
Samuel war munter und aufgekratzt. Er erzählte von seinem Leben in einer Art, wie er es noch nie getan hatte. Dass Menschen komisch waren, wusste Joel. Aber dass sie außerdem komisch wurden, wenn sie sterben mussten, das hatte er nicht gewusst.
Jeden Tag übte Samuel auf der Trommel. Morgens und abends. Und sie saßen über die Seekarten gebeugt. Samuel erzählte von allen Schiffen, auf denen er gefahren war. Von allen Häfen.
Joel kaufte ein und kochte. Er räumte auf. Er ging zu Sara in die Bierstube und sagte, dass jetzt niemand zu kommen brauchte, weil er ja zu Hause war. Ihr stiegen Tränen in die Augen. Aber Joel ging schnell weg, bevor sie anfing zu weinen. Nur mit Gertrud wollte er sprechen.
Aber nicht einmal sie besuchte er. Er wollte mit Samuel zusammen seine Ruhe haben.
Nach einigen Wochen verschlechterte sich Samuels Zustand so, dass er ins Krankenhaus musste. Dass es so schnell gehen würde, hatten weder er noch Joel ahnen können. Jetzt lag er in einem Zimmer mit vier Betten. Die Schmerzen kamen und gingen, wie die langsam rollende Dünung. Sie hatten die Seekarten mit ins Krankenhaus genommen und setzten ihre Irrfahrten übers Meer fort.
Sie lachten oft und viel. Manchmal so laut, dass eine Krankenschwester hereinkam und ihnen sagte, sie sollten leiser sein.
Manchmal waren sie auch ernst.
»Du musst dich an Göransson wenden«, konnte Samuel sagen. »Der hilft dir mit der Wohnung.«
Göransson war Chef beim Forstwirtschaftsunternehmen, wo Samuel gearbeitet hatte. Manchmal besuchte er sie im Krankenhaus. Und Sara kam. Sogar Ehnström kam. Ehnström und seine Alte. Aber da ist Joel rausgegangen. Er hatte nicht vergessen, was die Alte im Laden gesagt hatte. Alkohol war im Krankenhaus verboten. Aber Göransson brachte eine Flasche Cognac mit, aus der Samuel manchmal heimlich einen Schluck nahm. Das war Joel egal. Er vermisste es schon fast. Dass er Samuel nie mehr nach Hause zu schleppen brauchte, wenn er betrunken war.
Joel war allein im Haus am Fluss. Wenn Samuel abends eingeschlafen war, verließ er das Krankenhaus. Es war immer noch sehr kalt. Manchmal war ihm, als ob das Haus jetzt wie ein Schiff war, das alle Segel gerefft hatte. Jetzt sollte es abgewrackt werden.
Wenn er nicht bei Samuel war, schrieb er Briefe an verschiedene Reedereien. Und die ganze Zeit vermied er es, an das zu denken, was bevorstand.
Eines Morgens, als er gerade beim Frühstück saß, klopfte es an die Tür. Es war Göransson. Joel bot ihm Kaffee an. Göransson war ein Mann, der direkt zur Sache kam. »Du weißt, dass es mit deinem Vater zu Ende geht. Er lebt nicht mehr
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