JörgIsring-UnterMörd
erwiderte er.
»Dahlerus, besitzen Sie eigentlich gar keine Laster?« Göring schüttelte in
gespielter Verständnislosigkeit den Kopf. »Ich werde ihnen noch einen Orden
verleihen müssen, für notorisches Gutmenschentum. Schauen Sie sich ihre
englischen Freunde an, die wissen eine gute Zigarre zu schätzen.«
Dahlerus blickte pflichtschuldig in die Runde und sah in vernebelte
Gesichter. Sir Robert Renig, offensichtlich unerfahren im Zigarrengenuss,
bröselte sich mit den Fingern unauffällig ein paar Tabakkrümel von der Lippe.
Charles McLarn dagegen dampfte vor sich hin wie eine Lokomotive, sichtbar zum Unwillen
des neben ihm sitzenden Byron Mountain. Die übrigen Männer, Stephen Rossen,
Alexander Holden, Tom Menceford und Charles Spencer, pafften mehr oder weniger
zufrieden an ihren fetten Stumpen. Glücklicherweise verteilte sich der Rauch
schnell in dem hohen Raum, sammelte sich unter den schweren Eichenbalken des
Spitzdaches.
Dahlerus dachte daran, dass Elisabeth den Geruch von Zigarren verabscheute
und sie ihm deshalb nach und nach das Rauchen verleidet hatte. Der Gestank
ziehe durch alle Ritzen, hatte sie sich bei jeder Gelegenheit beschwert.
Dahlerus hatte sich anfangs gesträubt, bald aber eingesehen, dass er auf seine
abendliche Qualmerei gut verzichten konnte. Ihren Besuchern würde Elisabeth
natürlich nie irgendwelche Vorschriften machen. Im Gegenteil: Seine Frau war
die beste Gastgeberin der Welt. So war er Elisabeth unendlich dankbar, dass
sie den Hof ihrer Familie, den Sönke-Nissen-Koog, als Treffpunkt vorgeschlagen
hatte. Gestern hatte Karlsson die schwedische Flagge auf dem First gehisst, ein
rein symbolischer Akt. Er sollte die Illusion erzeugen, auf schwedischem Boden
miteinander zu reden, auch wenn der Hof in Schleswig-Holstein lag, also auf
deutschem Gebiet. Göring würde die Geste zu schätzen wissen. Seine Freunde aus
England auch. Wenn die schwedische Regierung Angst davor hatte, den Vermittler
zu spielen - Dahlerus hatte sie nicht. Er würde alles tun, damit die Welt nicht
in einen neuen Krieg taumelte. Elisabeth stand treu an seiner Seite, und das
Wissen darum bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Was waren ein paar Schwaden
Zigarrenqualm gegen die Feuersbrünste, die Europa zu verbrennen drohten?
Sir Charles
Spencer, einer seiner engsten Vertrauten, blinzelte ihm zu und wandte sich an
Göring. »Dieser Tabak ist exzellent, Herr Feldmarschall. Wenn ich meiner
Zufriedenheit Ausdruck verleihen darf - so exzellent wie das Bemühen Ihrer
Person um eine sicher für beide Seiten vorteilhafte Annäherung unserer beiden
Nationen. Wie sehr das englische dem deutschen Volk verbunden ist, durften wir
Ihnen ja heute ausführlich darlegen. Ich hoffe, Sie nutzen Ihren Einfluss,
diese Erkenntnis auch Ihrer Führung eindringlich zu vermitteln.«
Spencers höfliches Lächeln relativierte seinen aristokratischen Tonfall.
Dahlerus wusste, dass der Engländer kein arroganter Schnösel war. Zudem
wirkte seine Art zu sprechen, besonders bei Angelegenheiten von großer
Tragweite, immer etwas gekünstelt. Spencer wog jedes seiner Worte genau ab, um
so unmissverständlich wie möglich zu sein, lag aber gerade deshalb oft leicht
daneben. Er hatte in Cambridge studiert und sich anschließend zum Direktor von
John Brown & Co und der Associated Electrical Industries hochgearbeitet.
Nebenher war er in die Politik eingestiegen und hatte es bis in die
Führungsriege der Labour-Partei geschafft. Sein Wort hatte Gewicht in England,
und man war bereit, ihm zuzuhören. Bei Diskussionen fühlte Spencer sich wohl,
und er suchte stets die Lücke in der Argumentation seines Gegenübers. Göring
musste ein harter Brocken für ihn sein, denn der Deutsche hatte die Lücke zum
Prinzip erklärt. Und es war ihm herzlich egal, wenn jemand darin herumstocherte.
Dahlerus achtete darauf, ob Böttger, Görings Dolmetscher, die Führung in einen
Führer verwandelte. Göring beherrschte zwar ein paar englische Brocken, genug
für Small Talk, aber zu wenig für die Feinheiten einer diplomatischen
Konversation. Böttger übersetzte korrekt.
Göring blies eine gigantische Rauchwolke gen
Zimmerdecke.
»Lieber Sir Spencer, Sie dürfen sicher sein, dass ich, wie schon mehrfach
betont, alles Erdenkliche tun werde, damit sich unsere beiden Regierungen an
einen Tisch setzen.« Görings Augen blitzten verschwörerisch, weil er annahm,
den Ton seines Gegenübers getroffen zu haben. »Und ich bin mir sicher, wenn Sie
alle es wären«, die
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