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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Brille auf der geraden, großen Nase unterstützte das Bild des
seriösen Geschäftsmannes. Weil das weiße Hemd am Kragen etwas spannte, rügte
ihn Elisabeth, er würde nicht auf seine Figur achten. Ihre Worte drangen kaum
zu ihm durch, so wenig war er an sich selbst interessiert; aber immerhin fragte
er sich eine Sekunde, wie er ohne Elisabeth existieren sollte.
    Während er mit
seinem Wagen durch die trotz der frühen Stunde schon angenehm warme Morgenluft
schnurrte, hatte Dahlerus all dies vergessen, beschäftigte ihn einzig und
allein das Gelingen der vor ihm liegenden Aufgabe. Was vorzubereiten möglich
war, hatte er getan. Mit Spencers Freunden alles wieder und wieder
durchgesprochen, nächtelang darüber diskutiert, welche Positionen Englands
unverrückbar wären, wo man einlenken könne und was man an Angeboten von Göring
hören wolle.
    Zweifellos war diese Zusammenkunft ein heikles Unterfangen. Weder Dahlerus
noch die englischen Geschäftsleute waren offizielle Delegierte der Regierung.
Ihr Engagement wurde nur geduldet. Dahlerus konnte sich sehr gut vorstellen,
was sie sich aus diplomatischen Kreisen würden anhören müssen, wenn ihre Initiative
scheiterte. Wahrscheinlich riskierten sie nicht ihre berufliche Existenz, ihr
guter Ruf aber stand gewiss auf dem Spiel.
    Dieses Bewusstsein trug nicht gerade dazu bei, die Atmosphäre zu entspannen
- wobei der Schwede die Briten dafür bewunderte, äußerlich nie aus der Fassung
zu geraten. So etwas nannte man die feine englische Art: über jeden Zweifel
erhaben und souverän selbst in der ausweglosesten Situation.
    In Dahlerus dagegen tobte das Chaos. Die halbe Nacht hatte er sich herumgewälzt,
unfähig abzuschalten, die Gedanken nur auf das Treffen gerichtet. Sein Kopf war
wie in Watte gepackt. Der Schwede fürchtete, selbst die naheliegenden Argumente
nicht mehr sofort parat zu haben. Wie ein Mantra betete er auf der Fahrt die
einzelnen Punkte wieder und wieder herunter und hatte dennoch das Gefühl,
nichts davon behalten zu können.
    Unbeachtet
rauschte die Straße unter ihm hinweg. Erst als er plötzlich vor dem Bahnhof
stand, wurde ihm klar, dass er für den Verkehr kein Auge gehabt hatte. Dahlerus
schalt sich einen Idioten - und erschrak.
    Dutzende
Schaulustige belagerten das Gebäude. Absperrbänder der Polizei hielten die
Menschen auf Distanz. Nur ein kleiner Korridor vor dem Bahnsteig war frei
zugänglich. Hatte Göring nicht selbst um absolute Diskretion gebeten? Nichts
von diesem Treffen durfte nach außen dringen, um die Verhandlungen nicht zu
gefährden. Und jetzt das! Eine geheime Zusammenkunft hatte Dahlerus sich anders
vorgestellt. Für einen kurzen Moment sah der Schwede, wie sich seine Pläne in
Rauch auflösten. Morgen würde in den Zeitungen stehen, dass eine englische
Delegation im Sönke-Nissen-Koog mit Göring zusammengetroffen sei. Was für ein
Fiasko!
    Er steuerte
seinen Wagen in eine Lücke und stieg aus. Leicht genervt bahnte er sich einen
Weg durch die Menge. Woher kamen nur die vielen Menschen? An einem
Montagmorgen? Sie wollten Göring sehen, wurde Dahlerus plötzlich klar. Die
Deutschen verehrten ihren bärigen Feldmarschall, Hitler fürchteten sie. In den
Gesichtern las Dahlerus ehrliche Sympathie. Nur widerwillig rückte die Menge
beiseite, um den Schweden durchzulassen. Vor dem von Polizisten und SS-Männern
gesicherten Absperrband blieb er stehen. Dahinter sondierte ein kleiner Mann
mit kerzengerader Haltung und einem Grübchen im Kinn die Umgebung. Dahlerus
erkannte in ihm Paul »Pili« Körner, Görings Adjutanten und einer von dessen
engsten Vertrauten. Körner wiederum hatte auch Dahlerus erspäht. Schnurstracks
war er auf ihn zugegangen, hatte das rot-weiße Band mit der linken Hand
angehoben und ihm die rechte zum Gruß geboten.
    »Heil Hitler, Herr Dahlerus. Göring erwartet Sie schon. Folgen Sie mir!«
    Schnellen
Schrittes war Körner durch die Bahnhofshalle vorausgeeilt.
    Dahlerus hatte sich anstrengen müssen, um mit dem
kompakten, aber alerten Mann mitzuhalten.
    »Ich hoffe, der Feldmarschall hatte eine gute Reise.«
    »Davon dürfen Sie ausgehen. Alles ist bestens.«
    Vor dem Zug, der
das einzige Gleis blockierte, hielten die beiden Männer an. Überall auf dem
Bahnsteig waren SS-Männer postiert. Eingravierte Hakenkreuze auf den
Waggon-Fenstern bewiesen, dass es sich um keine Regionalbahn handelte.
Dahlerus hatte von Görings rollendem Hauptquartier gehört, gesehen hatte er es
allerdings bisher noch nicht.

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