JörgIsring-UnterMörd
Reich?
Wahrscheinlich könnten wir die Bolschewiken mit der phantastischen Übermacht
der deutschen Luftwaffe sogar in die Knie zwingen!«
Göring kam allmählich in Fahrt. Dahlerus hoffte nur, dass der passionierte
Flieger nicht zu seinem Lieblingsthema umschwenkte, der Luftwaffe und ihrer
enormen Schlagkraft. Dabei hätten die Deutschen nach den Versailler Verträgen
überhaupt keine Armee mehr aufbauen dürfen! Von einer Luftwaffe ganz zu
schweigen. Gut, das war Schnee von gestern, schoss es Dahlerus durch den Kopf.
Längst als verpasste Chance, die Deutschen in ihre Schranken zu weisen,
abgehakt. Man musste sich mit den Realitäten auseinandersetzen. Dem deutschen
Heer zum Beispiel: mehr als eine Million Menschen unter Waffen. Eine Armee,
geboren aus Hybris und Hass.
»Wer will sich meinen Kampffliegern denn entgegenstellen? Niemand, sage ich
Ihnen, niemand! Wir legen alles in Schutt und Asche, bevor irgendjemand da
unten überhaupt begriffen hat, was passiert.« Göring kramte in seiner
Hosentasche nach einem Taschentuch, zog es heraus und tupfte sich den Schweiß
auf der Stirn ab. Er bemerkte Dahlerus' leicht verstörten Blick. »Natürlich ist
das die allerletzte Option. Ich wollte Ihnen nur verdeutlichen, dass England
uns braucht, als Partner, als Waffengefährten. Davon würden beide Nationen
profitieren. Stellen Sie sich das einmal vor, Dahlerus. England und Deutschland
Seite an Seite. Was für ein Bündnis! Unschlagbar. Die Welt würde neidisch auf
uns blicken. Neidisch und ängstlich, weil sie diesem Bündnis hoffnungslos
unterlegen wäre. Eine historische Allianz wäre das, aber Chamberlain zeigt uns
die kalte Schulter. Die Enttäuschung über seine Worte sitzt tief, das kann ich
Ihnen sagen. Auch beim Führer. Er will auf keinen Fall, dass sich England gegen
uns wendet, nur weiß er nicht, wie er es verhindern soll. Weil er an die
Interessen des deutschen Volkes denken muss und ihn von diesem schicksalhaften
Weg niemand abbringen wird.«
Göring sah jeden
der Anwesenden nacheinander an. Bei Dahlerus hielt er inne und spitzte leicht
die Lippen. Der Schwede erinnerte sich an einen Spruch seines alten Herrn.
Traue nie einem Mann, dessen Eitelkeit offensichtlich ist, denn er wird bei
jedem Geschäft nur den eigenen Vorteil suchen.
»Dass wir heute hier sitzen, ist der Beweis dafür, dass der Führer es
ernst meint mit seiner Annäherung an England. Es ist an uns, diesen Wunsch in
Worte zu kleiden, die auch auf einem Vertrag haltbar wären. Wenn eine
Annäherung überhaupt von beiderseitigem Interesse ist. Das müssen wir - Ihre
hochgeschätzten englischen Gäste und ich - heute herausfinden. Und wenn es eine
Basis gibt, wovon ich überzeugt bin, mein lieber Dahlerus, denn mein Herz
schlägt für England, dann finden wir sie auch.«
»Davon bin ich
genauso überzeugt wie Sie, Herr Feldmarschall. Ich weiß, wie Sie die Dinge
vorantreiben und stets nach einer Lösung suchen. Dass Sie heute hier sind,
bestärkt mich in dem Glauben, dass wir eine friedliche Lösung finden.«
»Natürlich kann
das nur ein Anfang sein, Dahlerus. Ich werde mir sehr genau anhören, was Ihre
englischen Freunde zu sagen haben. Wenn auch nur ein Funke Hoffnung besteht,
müssen wir zusehen, dass wir offizielle Vertreter unserer beiden Regierungen an
einen Tisch bringen. Und zwar so schnell wie möglich.«
»Der einzig gangbare Weg, da haben Sie recht.«
Göring beugte sich wieder vor. Diesmal legte er jedoch seine Hand auf
Dahlerus' Unterarm. Der Deutsche sprach leise, aber bestimmt. Der Schwede
schaute in Görings fleischiges Gesicht, in dessen vor Eifer schimmernde Augen.
In diesem Moment hätte er geschworen, dass der Feldmarschall einen geheimen
Plan hatte. Aber der Augenblick verstrich.
»Denken Sie bitte an meine Worte, mein lieber Dahlerus. Wir müssen schnell
zu Ergebnissen kommen. Was wir am wenigsten besitzen, das ist Zeit. Sie
zerrinnt uns zwischen den Fingern. Es steht eine Menge auf dem Spiel.«
»Der Frieden.«
»Genau. Und deshalb brechen wir jetzt auf.«
Die Fahrt der kleinen Wagenkolonne vom Bahnhof in Bredtstedt - Göring hatte
Dahlerus, nachdem sie den Zug verlassen hatten, zu sich in seinen offenen
Mercedes gebeten, der Wagen des Schweden wurde von einem Soldaten gesteuert -
durch die sonnige Heidelandschaft in den Sönke-Nissen-Koog, die höfliche Begrüßung
durch den Hausherrn, seinen Schwager Hans Raabe, die Vorstellungsrunde mit
Spencer und dessen Landsleuten, das alles erschien dem Schweden im
Weitere Kostenlose Bücher