JörgIsring-UnterMörd
Außer Göring besaßen noch Reichsführer-SS Heinrich
Himmler und Hitler eigene Sonderzüge, so luxuriös ausgestattet, dass es darin
an nichts fehlte. Görings Gefährt war besonders verschwenderisch gestaltet.
Körner führte den Schweden zu einem Waggon, vor dessen Tür ein Treppchen den
Spalt zwischen Zug und Bahnsteig überbrückte.
»Bitteschön, Herr
Dahlerus, treten Sie ein.« Der Schwede stieg die Stufen hoch und stand vor
einer Schiebetür.
»Gehen Sie ruhig hindurch«, forderte ihn Körner auf.
Dahlerus öffnete die Tür. In dem vom üblichen Mobiliar entkernten und mit
bequemen Sesseln, Sofatischen und Kommoden üppig dekorierten Waggon drehten
sich zwei von drei im Raum anwesenden Männern nach ihm um. Erich Görnert, Chef
des Vierjahresplan-Amtes, und General Karl-Heinrich Bodenschatz, der auf
Görings Wunsch beim Treffen im Sönke-Nissen-Koog dabei sein sollte. Der dritte
Mann brauchte sich nicht umzudrehen, weil er dem Neuankömmling schon zugewandt
saß. Es war Hermann Göring.
Schwungvoll erhob sich Hitlers langjähriger Weggefährte aus einem reich
verzierten Sessel, dessen beachtlicher Umfang darauf schließen ließ, dass er
alleine dem Chef dieses Zuges vorbehalten war. Der Raum war auf den Geschmack
des Deutschen zugeschnitten, wirkte mit seinem hochflorigen Teppich, der die
Geräusche dämpfte, und seinen klobigen Möbeln schwer und überladen, fast
barock. Dahlerus fühlte sich, wie meistens, wenn er auf Göring traf, in eine
andere Zeit katapultiert.
Mit seiner Garderobe hatte Göring sich an diesem Tag
zurückgehalten. Statt wie bei repräsentativen Auftritten uniformiert und
ordengeschmückt war er für seine Verhältnisse mit einem hellbeigen Anzug
geradezu unauffällig gekleidet. Er breitete die Arme aus, kam auf Dahlerus zu
und fasste ihn an beiden Schultern.
»Mein lieber
Dahlerus, schön, dass Sie da sind. Da haben wir es doch noch geschafft, wir
beide. Vielleicht schreiben wir heute Geschichte. Das wäre dann eindeutig Ihr
Verdienst.«
»Ich freue mich
auch, Sie zu sehen, Herr Reichsfeldmarschall. Hatten Sie eine gute Reise?«
»Danke der Nachfrage. Aber wenn ich von einem so ehrenwerten Mann
empfangen werde, ist der Weg dorthin zweitrangig. Was zählt, ist das Ziel. Und
da haben wir uns heute eine Menge vorgenommen, nicht wahr?«
»In der Tat. Aber ob das für die Geschichtsbücher reicht, darüber müssen
andere befinden. Wir sollten unsere Kraft darauf konzentrieren, im Hier und
Jetzt etwas zu erreichen. Um in der Sprache der Eisenbahner zu bleiben: Lassen
Sie uns die entscheidenden Weichen stellen. Meine englischen Gäste sind auf
jeden Fall schon sehr gespannt, was Sie über die deutsche Position zu berichten
haben.«
Göring hatte die
Hände wieder heruntergenommen und lächelte sein Gegenüber an. Seine
Augenbrauen schössen hoch. »Sie fallen ja direkt mit der Tür ins Haus, mein
lieber Dahlerus. Können es mal wieder gar nicht abwarten. Aber so sind die
Schweden, nicht wahr? Halten mit nichts hinterm Berg. Das liebe ich so an
ihnen.« Göring schaute auf einmal etwas betrübt drein. »Karin war genauso. Aber
wem sage ich das, Dahlerus, das wissen Sie besser als ich.«
Der Schwede war
irritiert. Wie sollte er das wissen, fragte er sich, wenn er Görings erster
Frau, Karin von Fock, niemals begegnet war? Vielleicht dachte der
Reichsmarschall, dass sich die Schweden alle persönlich kannten.
Zum Glück hatte er Göring schon bei mehreren Gelegenheiten ungebremst vor
sich hin sprudelnd erlebt und dessen sprunghafte Plauderei einzuschätzen
gelernt. Die Kunst bestand darin, das Wesentliche herauszufiltern. Kein
leichtes Unterfangen, denn Göring knipste sein Strahlen mit dem nächsten Satz schon
wieder an.
»Lassen Sie uns nicht über die traurige Vergangenheit reden, sondern über
die Zukunft. Dafür sind wir doch schließlich hergekommen. Bitte, setzen Sie
sich einen Moment zu uns, mein lieber Dahlerus.«
Göring fasste den Schweden behutsam am Ellenbogen und dirigierte ihn zu
einem freien Sessel. »Erich Görnert und General Bodenschatz kennen Sie ja
bereits.«
Dahlerus nickte den beiden zu, diese erwiderten höflich den Gruß.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten, einen Kaffee
vielleicht?«
»Nein danke, ich habe bereits gefrühstückt.«
»Die Küche in meinem Zug ist vorzüglich. Sind Sie sicher, dass Sie nichts
wollen?« Göring setzte ein verschmitztes Lächeln auf. Dass dieser Mann, um
seine Ziele durchzusetzen, unbarmherzig mordete, schien Dahlerus in
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