Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)
geordnet durch den täglichen Wust behördlicher Vorschriften und Formulare. Sie legte den Arbeitern die Arbeitslisten vor, wo Name, Tag und Stundenzahl eingetragen waren, und an der entsprechenden Stelle musste jeder unterschreiben, von Frau Straub dabei überwacht. Henze zeichnete die Khedivestunden ab. Die Festangestellten bekamen ihren Lohn wöchentlich, die Leihkräfte sofort ausbezahlt. Henze sollte heute für die fünf Khedivestunden DM 37 , 50 bekommen, bekam von Frau Straub aber nur drei Zehnerscheine und ein Fünfmarkstück, also DM 35 , ausgehändigt. Das restliche Kleingeld von DM 2 , 50 wurde auf dem Sonderzettel Henze gutgeschrieben. Die Stundenkalkulation berechnete: zwei Stunden für die An- und Abfahrt zum Objekt, wofür real jeweils fünfzehn Minuten angefallen waren, aber angefangene Stunden mussten voll berechnet werden; zwei Stunden Putzen in den Büroräumen, einschließlich der arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebenen Zigarettenpausen alle zwanzig Minuten zwischendurch; eine Stunde Aufräumen der Putzgeräte nach der Arbeit, real zehn Minuten, hier musste die Sitzung danach in der Eingangshalle mitgerechnet werden. Weil aber in den heute Nacht sauber gemachten Büros von Arrow PC untertags ein im Vergleich zu Clean Impact etwa 50 - bis 160 -facher, manchmal auch 200 -facher Stundensatz, also etwa DM 375 ,– bis DM 4 . 550 ,– pro Stunde, fürdort erbrachte Entwicklungs- und Beratungsleistungen abgerechnet wurde, war es egal, und zwar allen Beteiligten, ob die fünf von Clean Impact abgerechneten Stunden à DM 22 , 50 pro Mann in Wirklichkeit nur zwei, drei oder vier real abgearbeitete Arbeitsstunden vor Ort gewesen waren oder eine oder fünf. Die Büros waren danach jedenfalls so sauber, wie von Clean Impact zugesichert. Und wenn dort in Krölpa der Pförtner in den Minuten um kurz vor sieben Uhr hinter dem Empfangstresen seinen Platz einnahm und bald auch schon die ersten Angestellten, die Frühanfänger, die die Stille des Morgens für konzentriertes Arbeiten nutzen wollten, in den frisch geputzten Zimmern ankamen, war auch in dieser Firma, jetzt überall hell erleuchtet, denn es war Ende November und noch dunkel draußen, die Welt durch Tätigkeit bezahlter Arbeitskräfte über Nacht äußerlich auf Null zurückgesetzt, war alles aufgeräumt und sauber gemacht und in den Frischezustand der täglich neuen Frühe versetzt, ohne dass die Angestellten selbst davon viel mitbekommen hätten oder das besonders bemerken würden.
In seinem Eckzimmer saß der Leiter Konzernsicherheit Krölpa, Dr. H. Sprißler, 52 , auch einer dieser Frühanfänger, nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte eigenhändig die Nummer seines direkten Ansprechpartners bei der der Arrow PC seitlich schräg übergeordneten Mutterfirma Assperg AG in Schönhausen und hatte nach einem kurzen Gespräch mit dem dort zuständigen Unter seines hiesigen Chefs Blaschke den Satz notiert: »Assperg lässt die Frage: Zulässigkeit Überwachung Immobilien Krölpa vorerst inhouse in Schönhausen prüfen«, um anschließend sofort, vorschrifts- und vereinbarungsgemäß einen angefangenen Zehnminutenslot auf den rechnungstechnisch unabhängigen KS -Mandanten Assperg zu schreiben, war so aus einem Vierzigsekundentelefonat und einer Achtsekundennotiz, durch fast nichts also, nicht gerade wenig Geld, ein paar hundert Mark auf jeden Fall, wieviel genau, würde zuletzt in den Kürzungsverhandlungen über das geforderte Honorar entschieden werden, neu generiert und gemacht, war Geld aus nichts erschaffen worden, hatte Arrow PC seinen Auftrag erfüllt, sein Imprint verwirklicht: Arrow turns your phantasy to cash.
Henze steckte die ihm übergebenen 35 Mark ein. Poggart war aus dem hinteren Bürozimmer hervorgekommen, mit Papieren in der Hand, die er der Frau Straub auf den Schreibtisch legte, diese Unterlagen, erklärte er ihr, gehörten zum Objekt in Gössitz, ein Fensterjob, der tagsüber gemacht wurde. Poggart hatte zur Zeit, je nach konkreter Auftragslage, bis zu dreißig oder vierzig Mann im Einsatz, die Hälfte von ihnen wurde über die thüringische Landesarbeitsanstalt, Kreisstelle Tonna, vermittelt und bezahlt, was aus finanzverwaltungstechnischen Gründen geboten war, aber eine hohe Fluktuation dieser Mitarbeiter zur Folge hatte. Die andere Hälfte der Arbeiter war, nach dem Subunternehmermodell, selbst jeweils als Selbständiger, oder auch, das hatte Poggart nicht zu prüfen, als Scheinselbständiger beim Finanzamt registriert
Weitere Kostenlose Bücher