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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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sein gegenwärtiger, seit fast vier Jahren amtierender Chef, der Vorstandsvorsitzende Dr. Johann Holtrop, 48 , Herr über 80.000 Mitarbeiter weltweit und eine Bilanzsumme von 20 Milliarden DM in 1999 , von 15 Milliarden Euro im Jahr 2000 . Alle Kennzahlen der Firma waren steil angestiegen und zweistellig gewachsen. Als Vorstand Neue Medien hatte Holtrop schon früh eine Öffnung des Hauses zu diesen neuen Medien hin eingeleitet. Nach Holtrops Wechsel in den Vorstandsvorsitz hatte sein Vorgänger Brosse als Chef des Aufsichtsrats auf die alten Geschäftsfelder, die Druckereien, die Gruppe Service, die Verlage und auf deren besondere Pflege geachtet. Das gerade erst aufgebaute Zeitschriftengeschäft wurde durch Zukäufe in Osteuropa weiterentwickelt. Die Musik- und Fernsehunternehmungen wurden zu weltweit boomenden und boomend ertragreichen Unternehmensbereichen. Assperg machte Gewinn, Assperg war am Wachsen, und unter Holtrops Führung mehr und erfolgreicher denn je.
    Von alledem war die Rede gewesen in den Ansprachen am Abend, die Unternehmerpersönlichkeit Berthold Assperg wurde gefeiert, seine Bodenständigkeit und sein Weitblick, sein Mut, seine Strenge gegen sich selbst, vorallem aber sein besonderer Einsatz für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter, aller Mitarbeiter des Hauses Assperg. Und in einer kurzen, die Zuhörer anrührenden Rede hatte Assperg sich dann auf die ihm eigene spröde Art bedankt: man möge es ihm nachsehen, derartige Feiern lägen ihm bekanntlich nicht so sehr, er wisse gleichwohl um ihre Funktion, die Mitarbeiter der Firma, die ja nun sein Leben sei, im festlichen Ereignis zusammenkommen zu lassen, seinerFrau und seinen Kindern verdanke er alles. Die so Angesprochenen schauten auf. Seine Frau, die den ganzen Abend über jeden im Saal unerbittlich lächelnd angelächelt hatte, applaudierte ihrem Mann, der nickte ihr zu und setzte sich. Der Applaus schwoll an und ebbte ab. Dann wurden die Gläser gehoben, und es war auf Assperg, den alten Herrn und die Firma, von den anwesenden Asspergianern und den von außen dazugeladenen Gästen angestoßen und getrunken worden. Die Band spielte auf, die Tanzfläche füllte sich. Stimmung nahm Fahrt auf, der Anfang einer später wieder legendären Nacht.
    Kurz vor fünf, einige Sekunden bevor der Wecker dreimal pickte, um dann im Alarmton loszufiepen, war Holtrop aus tiefem Schlaf erwacht. Er sah das Bild der urgroßväterlichen Fabrik an der Wand. Fragen aus fraglich verlaufenen Szenen des gestrigen Tages hatten sich über Nacht in die Lust verwandelt, sofort wieder selbst zu handeln und alles mögliche zu machen . Er stellte den Wecker aus, warf die Decke, unter der er geschlafen hatte, zurück und sah den kommenden Tag mit der Freude eines wilden Tiers auf sich zukommen. »Den Toten die Blüte, uns Lebenden die Tat«. Er stand auf und ging in den Keller. Dort setzte er sich, nachdem er den Fernseher eingeschaltet und seinen Trainingsanzug angezogen hatte, auf das in der Ecke stehende Hometrainergerät und fing an, locker, langsam, ruhig und leicht in die Pedale zu treten.
    Die neue Frau von Technikvorstand Uhl, die gestern neben ihm gesessen war, Holtrops Frau hatte wegen einer Erkältung nicht dabei sein können, hatte sich als aufgedreht hysterisches Wesen präsentiert und mit frechen Sprüchen den ganzen Holtroptisch die meiste Zeit des Abends bestens unterhalten. »Ich bin Audrey Hepburn!«, sagte sie zur Begrüßung, sie sah auch so aus. Holtrop hätte mit dem Namen eines Filmhelden aus der Truman-Capote-Zeit kontern sollen, er wusste aber nicht, mit welchem. »Errol Flynn«, sagte er, weil das für ihn nach der Eleganz einer vergangenen Zeit klang. »Falsch!« rief sie mit hell quiekender Kinderstimme, von Holtrops Ahnungslosigkeit aufgekratzt und erfreut darüber, dass er sofort auf das Spiel mit ihr eingegangen war. Den älteren Männern trug sie in Gesellschaft, besonders bei den gähnend langweiligen Essenseinladungen, zu denen sie als neue Ehefrau des Asspergvorstands Uhl jetzt öfter eingeladen war, als es ihr Spaß machte, den spielerischen Pakt an, sich mit ihr gegen die Lächerlichkeit der sonstigen Erwachsenenwelt zu verbünden und gemeinsam, wenn man sonst schon nichts Vernünftiges machen konnte, wenigstens ein bisschen zu spielen. »Du musst sagen«, sagte sie, »äh: Sie natürlich!«, dabei klimperte sie selbstironisch mit den Wimpern und stieß sich von Holtrops Unterarm mit den Fingerspitzen beider Hände ab, »George Peppard!« Sie

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