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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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war. Dann legte Henze, nachdem er kurz innegehalten hatte, das Handy zurück in die Schublade des Schreibtischs und machte sie zu. Im selben Augenblick hörte er von hinten die Stimme Poggarts, der ins Zimmer rief: »Bei dir so weit in Ordnung alles?« Und wahrheitsgemäß konnte Henze im Umdrehen antworten: »Ja!«, es sei alles in Ordnung. Dabei sah er das Vollbartgesicht Poggarts, vom Türsturz umrahmt, wegtauchen und im Dunkel des Gangs verschwinden.
    Eine Stunde später war Henze mit den ihm heute zugeteilten Zimmern fertig, brachte den Putzwagen in den Keller und fuhr wieder hoch in die Eingangshalle im Parterre.Rechts neben dem Empfangsdesk waren schwarzlederne Sessel, Couchen und niedrige Tische für Besucher aufgestellt, dort versammelten sich die Männer von Clean Impact nach der Arbeit. Die anderen saßen schon da, als Henze dazukam, und der festangestellte Russe Dobrudsch, Riese, forderte Henze dazu auf, den Aschenbecher vom drüberen Tisch herzubringen und sich dann vor ihm, dabei haute er auf seine Sessellehne, auf den Boden zu setzen. Den Befehl beendete nach einer Wirkungspause, Stille, tok, ein bellendes Triumphgelächter, erst von Dobrudsch allein, dann von allen Kollegen gemeinsam. Henze ging, wobei er auch schwach mitlachte, zur zweiten Sitzgruppe, brachte den leeren Aschenbecher von dort mit und zeigte auf seine Ohren, er sei übrigens nicht schwerhörig, erklärte er, Dobrudsch könne mit ihm auch leiser sprechen. Dann ließ er sich von dem neben Dobrudsch sitzenden Kirgisen Asow, der auch nur Aushilfskraft bei Clean Impact war, eine Zigarette geben, und während Henze den ersten Zug inhalierte, setzte er sich in den Ecksessel der zweiten, leeren Sitzgruppe und rauchte dort. Die Asche aschte er auf die ihm zugewendete Glastischecke.
    Die anderen redeten über ihre Autos und über die Überlegenheit der türkischen Turkyolreifen, die zur Zeit bei Autotip im Sonderangebot waren. Dobrudsch hatte von einem Testbericht gehört, die Turkyolreifen wären auch nicht schlechter als die viel teureren angeblichen Markenprodukte aus Europa oder Fernost. Weil Isjum, der dem Asow gegenübersitzende Finne, Bulgare, Altane, »wo bist du eigentlich her?, Kanalratte!«, den Führerschein wegen Alkohol neu machen musste, war vom Führerscheinentzug und dem deutschen Deppentest die Rede. Der Deppentest werde von den deutschen Behörden, den deutschen Ärzten, Psychologen, Fahrschulleitern und Führerscheinstellen zur Aussortierung unerwünschter Ausländer, Einwanderer und anderer Opfer eingesetzt, habe Üsküb von Poggart gehört, aber die Aussortierung unerwünscher Nichtdeutscher durch deutsche Tests sei ja wohl auch keine besonders große Überraschung. Er selbst sei zwar erst seit ein paar Monaten in Deutschland, wäre davor in Polen und England, davor in Spanien gewesen, das Geld sei besser hier, die Kontrollen überall gleich umgehbar. Dobrudsch bestätigte das Gesagte, er habe mit Poggart Ärger wegen Krankmeldungen, die er für sich und Khedive im Büro ha-be eintragen lassen, ohne sofort die Atteste beigebracht zu haben. Dabei hätte er nur zum Facharzt für Krankmeldungen nach Werra oder zu dem in Nörsel gehen müssen, das habe er versäumt, deswegen habe Poggart ihm Anfang dieser Woche einen schriftlichen Verweis im Büro übergeben lassen. Das müsse er sich von Poggart aber nicht gefallen lassen, er wäre beim Bezirksbetriebsrat in Ohra gewesen, dort hätten sie ihm auch gesagt, eine solche Drohung sei nichtig, dazu gäbe es ja Arbeitsschutz, um gegen die Art Willkür der Chefs geschützt zu sein usw.
    Henze wischte die Asche von der Tischecke in seine Hand und brachte sie zum Aschenbecher am anderen Tisch, drückte die Zigarette aus und setzte sich wieder an seinen Solotisch. Um kurz nach halb sieben beendeten die Männer ihre Sitzung in der Eingangshalle, gingen zum Auto auf dem Parkplatz zurück und fuhren vom westlichen Ortsrand von Krölpa, wo das Gewerbegebiet mit dem neuen Arrowhochhaus war, über die B 173 zum einige Kilometer südlich, in Bad Langensalza, gelegenen Firmensitz von Clean Impact.

II
    Das Büro der Gebäudereinigungsfirma Clean Impact war in einer Lagerhalle auf dem Gelände der ehemaligen russischen Kaserne südlich des Güterbahnhofs im ersten Stock untergebracht. Hier saß Poggarts Sekretärin Frau Straub an ihrem Schreibtisch, rote Haare, Tochter eines Landgasthausbesitzers aus Bad Langensalza, sie hatte die schriftlichen Dinge der Firma in der Hand, führte Clean Impact

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