John Grisham
Sie um diese Zeit in den Whiskeyladen gehen würden. Sie würden vielleicht nicht mehr zurückkommen.« Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein Weißer - und dann auch noch einer in seinem Zustand - die vier Blocks bis zu Willie Rays Whiskeyladen marschierte, wo sich jugendliche Halunken auf dem Parkplatz herumdrückten, Alkohol kaufte und es dann auch noch schaffte, zu ihrem Haus zurückzukommen. »Glauben Sie mir, es ist keine gute Idee.«
Einige Minuten verstrichen, in denen keiner von beiden etwas sagte. Von der Straße kam ein Mann auf sie zu. »Wer ist das?«, fragte Adrian.
»Carver Sneed.«
»Netter Kerl?«
»Er ist in Ordnung.«
»Mr. Sneed!«, rief Adrian.
Carver war Ende zwanzig und wohnte zurzeit bei seinen Eltern am anderen Ende der Roosevelt Street. Er ging nirgendwohin. Genau genommen schlenderte er nur an dem rosafarbenen Haus vorbei, weil er einen Blick auf den »Geist« werfen wollte, der auf Emporia Nesters Veranda saß und gerade am Sterben war. Allerdings hatte er nicht vorgehabt, mit dem Mann zu sprechen. Er kam an den Gartenzaun und sagte: »Guten Abend, Miss Emporia.«
Adrian stand auf der obersten Stufe der Treppe.
»Das ist Adrian«, sagte Emporia, der diese Begegnung sehr missfiel.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Carver«, sagte Adrian.
»Ganz meinerseits.«
Es war besser, keine Zeit zu verschwenden, dachte Adrian. »Wären Sie so nett und würden für mich zum Whiskeyladen gehen? Ich würde gern etwas trinken, aber Miss Emporia hat keinen Alkohol im Haus.«
»In meinem Haus gibt es keinen Whiskey«, bestä ti gte sie. »Früher nicht und jetzt auch nicht.«
»Ich bezahle Ihnen ein Sixpack Bier für Ihre Mühe«, fügte Adrian hinzu.
Carver ging zur Treppe und sah zu Adrian hoch. Dann wanderte sein Blick zu Emporia, die sich mit vor der Brust verschränkten Armen und verkniffenem Gesicht wieder hinsetzte. »Meint er das ernst?«, fragte er.
»Bis jetzt hat er jedenfalls noch nicht gelogen«, erwiderte sie. »Was aber nichts heißen will.«
»Was brauchen Sie denn aus dem Laden?«, fragte Carver an Adrian gerichtet.
»Ich hätte gern Wein, einen Chardonnay, wenn's geht.«
»Einen was?«
»Weißwein. Egal welcher.«
»Willie Ray hat nicht viel Wein. Der wird hier nicht oft verlangt.«
Adrian fragte sich plötzlich, wie Wein auf dieser Seite der Eisenbahnschienen definiert wurde. Auf der anderen Seite war die Auswahl schon dürftig genug. In Gedanken sah er alkoholversetzten Fruchtsaft mit Schraubverschluss vor sich. »Hat Willie Ray Wein, bei dem ein Korken in der Flasche steckt?«
Carver überlegte einen Moment. »Wozu braucht man den Korken?«
»Wie werden die Weinflaschen von Willie Ray aufgemacht?«
»Man schraubt den Deckel ab.«
»Verstehe. Und wie viel kostet eine Flasche Wein bei Willie Ray?«
Carver zuckte mit den Achseln. »Ich kauf nicht so viel Wein. Ich trinke lieber Bier. «
» Raten Sie einfach. Wie viel?«
»>Boone's Farm< dürfte so um die vier Dollar pro Flasche kosten.«
Adrian zog ein paar Geldscheine aus der rechten Hosentasche seiner Jeans. »Vergessen Sie das mit dem Wein. Bringen Sie mir die teuerste Flasche Tequila mit, die Sie in dem Laden finden können.«
»Was Sie wollen.«
»Für sich kaufen Sie ein Sixpack Bier, und das Wechselgeld bringen Sie wieder mit.« Adrian hielt ihm die Scheine entgegen, doch Carver zögerte. Er sah das Geld an, er sah Adrian an, dann sah er hilfesuchend Emporia an.
»Das ist okay«, sagte Adrian. »Vom Geldanfassen wird man nicht krank.«
Carver rührte sich immer noch nicht vom Fleck. Er brachte es nicht über sich, das Geld zu nehmen.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, bestätigte Emporia, die plötzlich helfen wollte. »Vertrau mir.«
»Ich schwöre, dass nichts passieren wird«, sagte Adrian.
Carver schüttelte den Kopf, dann wich er zurück. »Tut mir leid«, murmelte er fast zu sich selbst.
Adrian steckte das Geld wieder in seine Hosentasche, während er zusah, wie Carver in der Dunkelheit verschwand. Seine Beine fühlten sich wie Gummi an, und er musste sich hinsetzen, vielleicht sogar schlafen legen. Langsam ging er in die Hocke und setzte sich auf die oberste Stufe der Treppe, wo er seinen Kopf an das Geländer lehnte und eine Weile gar nichts sagte. Emporia trat hinter ihn und ging dann ins Haus.
Als sie wieder auf die Veranda kam, fragte sie: »Schreibt man >Tequila< mit >q< oder mit >k«
»Emporia, vergessen Sie's.«
»Mit >q< oder mit >k« Sie zwängte sich
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