John Grisham
damit probieren.«
Adrian lächelte. »Wunderbar. Ich hole den Wein.«
»Nein, Sie bleiben sitzen. Ich weiß, wo die Flasche ist.«
Sie kehrte mit einer ähnlichen Kaffeetasse zurück und setzte sich wieder in ihren Schaukelstuhl. »Zum Wohl«, sagte Adrian, der froh war, in Gesellschaft trinken zu können.
Emporia trank einen Schluck, schmatzte mit den Lippen und sagte: »Nicht schlecht.«
»Das ist ein Chardonnay. Gut, aber nicht großartig. Der beste Wein, den es im Laden gab.«
Nach der zweiten Tasse begann Emporia zu kichern. Es war dunkel, die Straße lag verlassen da. »Ich wollte Sie schon die ganze Zeit etwas fragen«, sagte sie.
»Alles, was Sie wollen.«
»Wann ist Ihnen eigentlich klargeworden, dass Sie, na ja, Sie wissen schon, anders sind? Wie alt waren Sie da?«
Eine Pause, ein großer Schluck Wein, eine Geschichte, die er schon oft erzählt hatte, aber nur denen, die es verstehen konnten. »Bis ich zwölf wurde, war eigentlich alles ganz normal. Pfadfinder, Baseball und Fußball, Camping und Angeln, was Jungs eben so machten, doch als ich in die Pubertät kam, wurde mir langsam klar, dass ich mich nicht für Mädchen interessiere. Die anderen Jungs redeten über Mädchen, Mädchen, Mädchen, aber mir war das egal. Ich verlor das Interesse für Sport und fing an, Bücher über Kunst, Design und Mode zu lesen. Als ich älter wurde, hatten die anderen Jungs ihre erste Freundin, ich dagegen nicht. Ich wusste, dass da etwas nicht stimmte. Ich hatte einen Freund, Matt Mason, ein sehr gut aussehender Typ, nach dem alle Mädchen verrückt waren. Eines Tages wurde mir klar, dass ich mich in ihn verliebt hatte, aber das erzählte ich natürlich niemandem. Ich malte mir aus, wie es wäre, mit ihm zusammen zu sein. Es hat mich wahnsinnig gemacht. Dann fing ich an, anderen Jungs hinterherzusehen. Und als ich fünfzehn war, gestand ich mir schließlich ein, dass ich schwul war. Da hatte das Gerede aber schon angefangen. Ich konnte es gar nicht erwarten, von hier wegzukommen und so zu leben, wie ich wollte. «
» Bereuen Sie es?«
»Bereuen? Nein, ich bereue nicht, so zu sein, wie ich bin. Ich wünschte, ich wäre nicht krank, aber das wünscht sich wohl jeder, der eine tödliche Krankheit hat.«
Emporia stellte ihre leere Tasse auf den Tisch und starrte in die Dunkelheit. Die Lampe auf der Veranda brannte nicht. Sie saßen im Schatten und schaukelten langsam vor und zurück. »Kann ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen?«, fragte sie.
»Aber natürlich. Ich werde es mit in mein Grab nehmen.«
»Mir ging es so wie Ihnen, nur dass ich keine Jungs mochte. Ich dachte nie, dass ich anders bin, und ich dachte auch nie, dass mit mir etwas nicht stimmt. Aber ich wollte nie mit einem Mann zusammen sein.«
»Sie hatten nie einen Freund?«
»Doch, einmal schon. Es gab da einen Jungen, der häufig zu uns nach Hause kam, und ich dachte wohl, ich müsste einen Freund haben. Meine Familie machte sich schon langsam Sorgen, weil ich fast zwanzig und immer noch nicht verheiratet war. Wir sind ein paarmal miteinander ins Bett gegangen, aber es hat mir nicht gefallen. Genau genommen ist mir dabei schlecht geworden. Ich konnte es nicht ertragen, so angefasst zu werden. Aber jetzt müssen Sie mir versprechen, dass Sie es niemandem erzählen.«
»Ich verspreche es. Außerdem - wem sollte ich es sagen?«
»Ich vertraue Ihnen.«
»Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Haben Sie das schon mal jemandem erzählt?«
»Großer Gott, nein. Das würde ich nicht wagen.«
»Hatten Sie mal was mit einem Mädchen?«
»Junger Mann, damals war so etwas undenkbar. Man wäre sofort im Irrenhaus gelandet.«
»Und heute?«
Sie schüttelte den Kopf und überlegte. »Ab und zu hört man mal etwas über einen Jungen von hier, der nicht so recht dazupasst, aber das wird immer nur hinter vorgehaltener Hand erzählt. Man hört Gerüchte, aber niemand gibt es offen zu und lebt so, wie er will. Wissen Sie, was ich meine? «
» O ja.«
»Aber ich habe noch nie etwas von einer Frau von hier gehört, die Frauen mag. Ich glaube, sie unterdrücken es, heiraten und erzählen niemandem davon. Oder sie machen es wie ich - sie tun so, als ob, und sagen, dass sie nie den richtigen Mann gefunden haben.«
»Das ist traurig.«
»Ich bin nicht traurig, Adrian. Ich habe ein glückliches Leben gehabt. Wollen wir uns noch ein Schlückchen Wein genehmigen?«
»Das ist eine glänzende Idee.«
Sie eilte davon, froh, nicht mehr darüber sprechen zu
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