John Sincalir - 0969 - Mandragoros Geschöpf (1 of 3)
einem düsteren Gesicht, dessen Haut mehr von Schatten überzogen war. Hinzu kamen breite Lippen, die kaum auffielen, weil sie sich der Gesichtshaut angeglichen hatten. Eine glatte Stirn und zwei Ohren, die an dem haarlosen Kopf angewachsen zu sein schienen.
Ein Nosferatu der Neuzeit. Ob diese Gestalt Vampirzähne hatte, war nicht zu sehen, denn der Mann hielt den Mund geschlossen. Er reagierte überhaupt nicht. Von seiner Bank aus schaute er über das Tal hinweg oder in die große Mulde hinein, die sich vor ihm ausbreitete. Ein Stück Natur, ohne Sträucher und Bäume. Einfach nur die dunklere, mit Gras bewachsene Erde.
Der Mann blieb ruhig, auch als hinter ihm Schritte zu hören waren. Jemand trat dicht an seine Bank heran und blieb in einer devoten Haltung stehen.
Der Sitzende schaute kaum auf.
Erst als der andere Mann ihn ansprach, hob er den Blick. »Darf ich Ihnen danken, Mr. Cursano?«
»Wie Sie wollen.«
»Sie haben meine Tochter gefunden.«
»Es war nicht schwer.«
Der andere lachte zweimal und hörte abrupt auf. »Himmel, das sagen Sie, Mr. Cursano, aber ein anderer hätte sie nicht gefunden. Es ging um Sekunden.«
»Ich weiß.« Cursano nickte. »Der Sumpf ist schnell und gnadenlos. Er gibt seine Opfer normalerweise nicht her.«
»Ja, das stimmt.« Der andere setzte sich ebenfalls auf die Bank. Allerdings nur am Rand, denn er spürte sehr wohl, daß diesen Fremden eine Aura der Kälte umgab. »Marion wird Ihnen ihr Leben lang dankbar sein. Das weiß ich.«
Der Glatzkopf schaute noch immer nach vorn. Zumindest lächelte er jetzt. Oder seine Lippen zuckten. »Wird sie das tatsächlich sein?«
»Ja, ich kenne sie.«
»Ein Leben lang?« fragte Cursano noch einmal.
»So ist es.«
»Wir werden sehen, Mr. Kline.«
Diese Antwort verunsicherte den Mann. Er räusperte sich und schaute dabei auf seine Hände, die er unsicher bewegte. »Ja – ähm, ich weiß nicht, was ich da noch sagen soll, Mr. Cursano. Es ist alles so anders gekommen, wissen Sie?«
»Das ist mir klar.«
»Was kann ich denn noch für Sie tun? Meine Frau hat gesagt, daß wir Ihnen die Auslagen bezahlen möchten und …«
»Wollen Sie mich beleidigen?«
»Nein, nein, das hatte ich nicht vor. Entschuldigen Sie. Das wollte ich auf keinen Fall.«
»Eben.«
»Aber etwas muß doch geschehen, Mr. Cursano. Ich weiß, es klingt vielleicht vermessen, aber …«
Er winkte ab. »Ich habe getan, was getan werden mußte, und Ihre Tochter wird mir ihr Leben lang dankbar sein, haben Sie gesagt.«
»Das stimmt.«
Der Glatzkopf nickte. »Ich habe mal eine Frage. Wie alt ist Ihre Tochter jetzt?«
»Acht Jahre.«
»Das ist gut.«
Kline zeigte sich verunsichert. »Wie meinen Sie das denn?«
»Nun ja, sie ist alt genug, um alles begreifen zu können. Sie hat ihre Lage mitbekommen.«
»Durchaus, Mr. Cursano, durchaus.«
»Sehr schön. Dann gebe ich Ihnen recht. Sie wird mich wirklich nicht vergessen.« Mit einem Ruck drehte er seinen Kopf nach links und starrte dem Mann in die Augen.
Mr. Kline fürchtete sich plötzlich. Dieser Blick lastete auf ihm und schien sogar in seine Seele dringen zu wollen, um sie in seinen Bann zu ziehen. Ihm wurde kalt, als ihn ein unheimliches Gefühl beschlich. Plötzlich sah er den Mann mit anderen Augen, wobei er trotzdem nicht vergaß, es hier mit einem Retter zu tun zu haben, aber so hatte er ihn noch nie erlebt und auch seine Gefühle nicht.
Er mußte sich wahnsinnig zusammenreißen, um sitzen zu bleiben. Dabei wünschte er sich weit, weit weg. Das war nicht möglich. Dem unsichtbaren Käfig um ihn herum konnte er nicht entkommen, denn erst, wenn Cursano aufgestanden war, würde auch er es schaffen, den Platz auf der Bank zu verlassen. Er machte sich schon jetzt Vorwürfe, noch einmal zurückgekehrt zu sein. Er hätte nicht auf seine Frau hören sollen.
Diese Augen! Die verdammten Augen! Gehörten sie noch einem Menschen, oder waren es einfach nur kalte Lichter? Auf irgendeine Art und Weise hatte der Fremde ja nicht menschlich reagiert, als er Marion rettete. Ein Durchschnittsmensch hätte das nicht geschafft, er aber war …
Die Gedanken des Mannes brachen ab, weil Cursano seine Lippen bewegte. »Ich will Ihnen etwas sagen«, flüsterte er.
»Ja, ich höre.«
»Sie werden mich bald nicht mehr sehen, Mr. Kline. Aber«, er hob einen Finger an, »ich werde stets in Ihrer Nähe sein, verstehen Sie? In Ihrer und auch in der Nähe Ihrer Tochter. Verstehen Sie?«
»Nein.«
Der Mann mit der Glatze zeigte
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