John Sinclair - 0975 - Hier wohnt der Tod
wir tiefer in die typisch englische und ländliche Gegend hinein. Buschwerk nahm uns oft genug die Sicht.
Brombeerhecken bildeten ein undurchdringliches Dickicht, und die Überlandleitungen sahen aus wie Riesenschlangen, die in der Luft hingen.
Zum Haus des Harvey Patterson führte nur ein unbefestigter Weg.
Der Himmel über uns präsentierte sich nicht gerade sommerlich. Ein dichtes Grau aus schwer wirkenden Wolkenmassen bedeckte ihn. Auf der Erde bildete das dichte Grün der Pflanzen einen Kontrast.
Wenn Sir James jemanden einen Besuch abstattete, fuhr er nicht selbst.
Ihm stand ein Fahrer zur Verfügung. Den aber hatte er bestimmt wieder weggeschickt. Für den Rückweg würde er ein Taxi nehmen oder sich von Pattersons Fahrer chauffieren lassen.
Ich sprach mit Suko darüber, und mein Freund fragte mich: »Was bedeutet das für uns?«
»Daß wir nicht bis direkt an das Haus heranfahren sollten.«
»Gut.«
»Wir können uns anschleichen.« Er nickte.
Noch sahen wir das Haus nicht. Lange und hohe Buchenhecken säumten den Pfad, der nur in Kurven verlief, so daß wir das Gelände nicht überblicken konnten.
Wir fuhren in eine Senke hinein – und sahen das Haus!
Nicht unheimlich groß, aber auch nicht sehr klein. Ein Gutshaus, dessen Fassade von dichtem Efeu geschützt wurde. Er bildete eine ideale Welt für die zahlreichen Vögel, die dort nisten konnten.
Ich zog den Rover nach rechts, weil ich dort eine Lücke entdeckt hatte.
Als das Gestrüpp auf der Motorhaube wippte, hielt ich an. Wir stiegen aus und suchten nach einer günstigen Gelegenheit, ungesehen zu dem Haus zu gelangen.
Die bot sich uns auch, wenn wir einen Bogen nach rechts schlugen und die Geländeform nicht aus den Augen verloren. Hier hatten sich die wilden Hecken ausbreiten können, was wir natürlich ausnutzten. Als Deckung.
Der Blick aufs Haus wurde uns immer wieder gestattet. Kein Wagen parkte vor der Treppe, auch nicht vor der seitlich angebauten Garage.
Im Schatten des dicht wachsenden Efeus sahen die Scheiben der Fenster dunkel wie grauer Rauch aus, als hätte er sich in das Glas hineingedrängt. Deshalb war auch von außen nicht zu sehen, ob sich hinter den Scheiben etwas bewegte.
Wir gingen geduckt weiter. Vögel tobten durch die Luft und begleiteten uns mit ihrem Singen. Am Haus bewegte sich nichts. Es gab auch keinen Garten, der gepflegt werden mußte. Dieser Bau aus dunkel gewordenen Ziegelsteinen stand mitten im Gelände, als hätte ihn dort jemand einfach abgestellt.
Durch den großen Bogen näherten wir uns dem Ziel von der Seite. Um die Haustür zu erreichen, mußten wir an der langen Front entlangschleichen, und dann kam es zu einem weiteren Problem: anschellen oder versuchen, so einzudringen?
Es war schwer, auf die Frage eine Antwort zu finden. Wir würden uns entscheiden, wenn wir vor der Tür standen. Zunächst einmal schlichen wir durch das hohe Gras. Der leichte Wind trieb Pollen wie Schneeflocken durch die Luft. Sie sahen manchmal aus, als wären es Wasserspritzer, die über grüne Wellen hinwegflogen.
An der halbrunden Treppe blieben wir zunächst einmal stehen. Unsere Blicke galten den Fenstern. Vor manchen hingen Vorhänge. Andere waren frei. Keine Bewegung dahinter. Auch kein fremder Laut, der uns irritiert hätte.
Suko stieg als erster hoch zur Haustür. Er schaute mich fragend an, als er auf das Schloß deutete. »Oder sollen wir klingeln?«
Ich hob die Schultern.
»Was sagt dein Gefühl?«
»Nichts Gutes.«
»Okay, dann sind wir uns einig. Mir gefällt die Ruhe auch nicht, und das Türschloß hier dürfte kein Problem sein.«
»Dann los!«
Suko holte sein Besteck aus der Tasche. Es lag oft in unserem Rover, versteckt im Handschuhfach. Mein Freund hatte es sicherheitshalber mitgenommen.
Die einzelnen Geräte waren in einem Etui untergebracht, das dem für Brillen ähnelte. Er klappte es auf und suchte sich das richtige Instrument heraus.
Ich behielt derweil die Umgebung im Auge, ohne dort etwas sehen zu können, das mich mißtrauisch gemacht hätte.
Suko arbeitete gut und leise. Er hatte sich zu einem Fachmann entwickelt und benötigte nicht mal eine halbe Minute, um das Schloß zu öffnen.
»Alles klar, John.«
Ich nickte. Suko hatte die Tür leicht nach innen geschoben und mit dem Fuß gebremst.
Der Weg ins Haus war frei …
*
Sir James sah den Krummdolch, der aus der Faust des Assassinen in die Höhe ragte. Die Klinge glänzte heller als der Spiegel. Sie war an beiden Seiten
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