John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
nicht zu teuer, und kein ausgefallenes Spielzeug, wie die Waffen, die er den Afrikanern verkaufte. Er nahm die Pistole aus dem Halfter, zielte über den See und steckte sie wieder zurück.
»Ich habe dem Mann, der mich überfallen hat, versprochen, dass ich es ihm zurückzahlen werde. Wer auch immer
er ist. Und ich glaube … ich muss mein Versprechen halten.«
Als Li Ping Schritte im Gang hörte, zog er sich von dem Feldbett hoch und stellte sich vor die schwere Stahltür, die seine Zelle verschloss. Eine Klappe in der Tür glitt auf, und ein Plastiktablett fiel in Lis Hände.
»Danke.«
Als Antwort schloss sich die kleine Durchreiche klirrend. Li sah auf sein Mittagessen hinunter. Eine Tasse lauwarmer Tee, eine überreife Orange und eine Schüssel Reissuppe. Und natürlich die Pillen.
Li war in Einzelhaft in einer Betonzelle des militärischen Hochsicherheitsgefängnisses am Stadtrand von Peking. Die Gefängniswärter hatten gelacht, als er darum gebeten hatte, seine Frau zu sehen. Allerdings hatten sie ihm in den letzten Tagen Exemplare des China Daily gegeben, der offiziellen Parteizeitung, sowie von ein paar mehr oder weniger unabhängigen Tageszeitungen aus Peking.
Es war jedoch kein Akt der Nächstenliebe, ihm die Zeitungen zu schicken. Zhang und der Ständige Ausschuss wollten ihn wissen lassen, dass seine Lage hoffnungslos war. Sie hatten sich geeinigt, ihn als verbrecherischen General darzustellen, der China aus Eigennutz an den Rand des Krieges getrieben hatte. Während der letzten Tage der Krise habe Li entgegen gültigen Gesetzen den Angriff auf die Decatur befohlen, sagten sie. Zudem ließen sie durchblicken, dass Li möglicherweise im Auftrag Russlands gehandelt habe, um China zu schwächen. Selbstverständlich war dies eine Lüge. Sie hatten dem Angriff auf die Decatur zugestimmt, und sie wussten, dass er weder für Russland noch für sonst jemanden arbeitete.
Aber das war einerlei. Zhang hatte gewonnen. Li würde den Augenblick nie vergessen, als Zhang dem Ständigen Ausschuss die Dokumente vorlegte, die bewiesen, dass Li Finanzmittel der Armee verwendet hatte, um die Taliban zu unterstützen. Zhangs triumphierenden Blick. Die Wut der anderen Mitglieder des Ständigen Ausschusses, das Entsetzen auf den Gesichtern jener Männer, die nichts mehr hassten, als überrascht zu werden. Doch sie fanden ihre Stimmen rasch wieder. Sie schimpften und wetterten, beschuldigten ihn des Verrats und erklärten, dass er beinahe Chinas Fortschritt zerstört habe. Zhang lächelte nur, als ihn einer nach dem anderen anprangerte. Li machte sich erst gar nicht die Mühe zu leugnen, was er getan hatte. Er hatte versucht, China zu retten. Wenn ihn diese Feiglinge dafür bestrafen wollten, sollten sie es doch tun.
Zhang war vor einigen Tagen in seine Zelle gekommen. Kurz nachdem er die ersten Zeitungen erhalten hatte. An diesem Tag hatte Li auch drei übergroße Pillen zu seinem Mittagessen bekommen, zwei weiße und eine dritte, blaue. Obwohl sie nicht gekennzeichnet waren, erkannte Li ihren Zweck. Er ließ sie unberührt, beendete sein Mahl und gab das Tablett zurück. Einige Minuten später öffnete sich seine Zellentür, und Zhang trat ein. »General.«
»Minister. Sind Sie wegen der Pillen gekommen? Ich biete sie Ihnen gern an.«
»Sie waren immer schon großzügig.«
»Und Sie waren immer schon ein Dieb.«
»Wenn Sie nicht so ein Narr wären, wären Sie gefährlich, Li. Sehen Sie denn nicht, dass Sie beinahe einen Krieg ausgelöst haben? Knochen, die zu Asche werden, zu Ihrem Ruhm.«
»Die Amerikaner hätten sich zurückgezogen. Dank Ihres Eingreifens haben sie die chinesische Nation gedemütigt.«
»Glauben Sie das wirklich? Hat sich irgendetwas verändert? Jeden Tag kaufen sie Stahl, Fernsehapparate und Computer. Jeden Tag schicken sie uns mehr Geld. Jeden Tag wächst unsere Wirtschaft schneller als ihre.«
»Und jeden Tag stehlen Sie mehr vom Volk. Jeden Tag sterben mehr Bauern an Hunger aufgrund Ihrer Verbrechen. Man darf einen Helden nicht nach Sieg oder Niederlage beurteilen.«
»Einen Helden?« Zhang lachte. »Sie sind ein verwirrter alter Ochse, den wir schon vor Jahren zermalmen hätten sollen. Warum glauben Sie, hat das Volk sich nicht aufgelehnt, als wir Ihre Verhaftung verkündeten? Warum glauben Sie, sind sie still vom Tiananmen-Platz nach Hause gegangen, als wir sie dazu aufforderten?«
»Weil sie Angst hatten.«
»Weil sie zufrieden sind mit ihrem Leben. Und mit der
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