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Johnson, Denis

Johnson, Denis

Titel: Johnson, Denis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesu’s Sohn
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zu ihm um, schlüpfte aus den Tennisschuhen, griff mit der Hand hinter sich und streifte sich eins nach dem anderen die weißen Söckchen herunter. Sie tauchte den rechten Fuß ins Wasser, erst nur den großen Zeh, dann den ganzen Fuß, und senkte ihn, so daß er für mich unsichtbar wurde, in das gelbe Becken. Er zog sich das Tuch von der Schulter und begann, ohne auch nur ein einziges Mal zu ihr aufzublicken, mit der Waschung.
     
    Inzwischen ging ich nicht mehr mit der südländischen Schönheit aus. Ich traf mich mit einer anderen Frau, die dem Wuchs nach normal, dafür aber behindert war.
    Als kleines Mädchen hatte sie Enzephalitis gehabt, die Schlafkrankheit. Das hatte sie gewissermaßen in der Mitte gespalten, wie ein Schlaganfall. Dir linker Arm war kaum zu gebrauchen. Sie konnte zwar laufen, zog aber das linke Bein nach, ließ es bei jedem Schritt in einem Bogen von hinten nach vorn schnellen. Wenn sie erregt war, das heißt vor allem, wenn wir miteinander schliefen, begann der linke Arm jedesmal zu zucken und hob sich in die Höhe, schwebte empor zu einem wundersamen Salut Dann fluchte sie immer wie ein Matrose und stieß Verwünschungen aus dem Mundwinkel aus, dem Mundwinkel natürlich, der nicht von der Lähmung befallen war.
    Ich besuchte sie ein- oder zweimal die Woche in ihrer Einzimmerwohnung und blieb die ganze Nacht bis zum Morgen. Meistens war ich vor ihr auf. Gewöhnlich arbeitete ich dann an meinem Infoblatt, während draußen, in der Klarheit der Wüste, Menschen in den winzigen Swimmingpools der Apartmenthäuser badeten. Ich saß mit Papier und Kugelschreiber am Küchentisch, studierte meine Notizen, schrieb: «Sonderankündigung! Am Samstag, dem 25. April wird um 18.30 Uhr die Schauspielgruppe der Southern Baptist Church hier im Beverly Home ein Bibelstück aufführen. Es soll sehr aufbauend sein – auf keinen Fall verpassen!»
    Derweil lag sie noch im Bett, versuchte weiterzuschlafen, jene andere Welt noch ein bißchen festzuhalten. Kurz darauf aber stand auch sie auf, wickelte sich das Bettlaken um die Hüfte und stolzierte ins Badezimmer, das wie wild herumfahrende Bein hinter sich herziehend. Morgens, in den ersten Minuten nach dem Aufstehen, war ihre Lähmung immer etwas schlimmer als sonst. Es war krankhaft und sehr erotisch.
    Sobald sie auf war, tranken wir Kaffee, Pulverkaffee mit fettarmer Milch, und sie erzählte mir von allen Freunden, die sie gehabt hatte, und ich hab nie jemanden gekannt, der mehr gehabt hat Den meisten allerdings war kein langes Leben vergönnt.
    Ich genoß es, morgens mit ihr in der Küche zu sitzen. Sie auch. Fast immer waren wir nackt. Wenn sie sprach, entströmte ihren Augen etwas Helles und Klares. Und danach schliefen wir miteinander.
    Von der Küche waren es nur zwei Schritte bis zu ihrem Sofabett. Wir gingen hinüber, legten uns hin. Um uns schwebten Sonnenglanz und Geister. Erinnerungen, Menschen, die uns lieb gewesen waren, alle schauten uns zu. Einmal hatte sie einen Freund gehabt, der von einem Zug überrollt worden war; er saß mit seinem Wagen auf den Gleisen fest und meinte, er könne den Motor, bevor die Lok ihn erwischen würde, schon wieder in Gang kriegen, aber da hatte er sich getäuscht. Ein anderer, ein Baumdoktor oder so was, fiel in den Bergen im Norden Arizonas durch Abertausende immergrüner Zweige und zerschmetterte sich den Schädel. Zwei starben bei den Marines, einer in Vietnam, der andere, ein halber Junge noch, gleich nach der Grundausbildung in einem nie aufgeklärten Autounfall, an dem nur sein Wagen beteiligt war. Zwei Schwarze: einer an einer Überdosis Heroin, der andere abgemurkst, im Gefängnis erstochen mit einem Holzdolch aus der Gefängnistischlerei. Die meisten von ihnen hatten, als der Tod kam, meine Freundin längst wieder verlassen, um auf ihren einsamen Wegen weiterzuziehen. Sie waren Leute wie wir, nur mit weniger Glück. Ich war erfüllt von süßem Mitleid, während wir dort in dem sonnigen kleinen Zimmer lagen, erfüllt von Trauer, daß nichts die Männer je wieder zum Leben erwecken würde, ja trunken von Traurigkeit; ich konnte einfach nicht genug davon bekommen.
     
    In meine Arbeitszeit im Beverly Home fiel der Schichtwechsel der Ganztagsbeschäftigten, und etliche von ihnen versammelten sich dann immer in der Küche, wo die Stechuhr hing, es war ein Kommen und Gehen. Auch ich war oft da und flirtete mit den schönen Schwestern. Ich lernte gerade, ohne Alkohol zu leben, und häufig war ich noch verwirrt,

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