Jones, Diana Wynne
das betrifft«, entgegnete Alk, während Mitt die goldenen Manschettenknöpfe durch die Löcher schob, »hast du dich nicht gerade überschlagen, um liebenswert zu erscheinen, Mitt. Und jeder hat stets einen Grund für das, was er tut. Das ist ganz natürlich.«
»Aus welchem Grund versuchst du dann, mich aufzuheitern?«, gab Mitt zurück.
»Nur die Ruhe«, sagte Alk. »Ich kann Elend nicht mit ansehen, und Geheimnisse verabscheue ich. Jeder, der dir auch nur flüchtig ins Gesicht blickt, sieht genau, dass irgendetwas nicht stimmt. Wenn man jemanden aufheitert, bringt es oft die Dinge ans Licht. Das habe ich gelernt, als ich noch ein Rechtsgelehrter war und wir das erste Mal mit einem Mann zu tun hatten, der des Mordes angeklagt war.« Mitt zuckte zusammen und hätte fast einen Manschettenknopf fallen gelassen. Er wusste, dass Alk sein Erschrecken bemerkt hatte, doch der Erfinder fragte nur: »Soll ich meine Gräfin darauf ansprechen?«
»Zwecklos. Das hätte überhaupt keinen Sinn«, entgegnete Mitt. Jeder wusste, dass Alk sich niemals gegen die Gräfin stellte. Er wandte sich ab und holte Alks riesige Brokatellhose herbei. »Hör zu, ich will darüber jetzt nicht mehr reden«, sagte er und half ihm in die Hose.
»Das merke ich. Ich finde aber, du solltest es lieber«, entgegnete Alk.
Mitt schwieg eigensinnig, während er die Hose um Alks ausladende Hüften raffte und zuknöpfte und schließlich die gewaltige bestickte Jacke brachte. Alk schob sich wie ein Bär mit ausgestreckten Armen rückwärts hinein. »Du willst also nichts sagen?«, fragte er.
»Nein, aber ich möchte dir eine Frage stellen«, sagte Mitt, um das Thema zu wechseln. »Gibt es den Einen wirklich?« Die Jacke halb angezogen, drehte sich Alk zu ihm um und starrte ihn an. »Ich meine«, erklärte Mitt, »bevor ich hierher kam, habe ich nie etwas vom Einen gehört, und von der Hälfte aller anderen Unvergänglichen auch nicht. Im Süden achten wir nicht viel auf die Unvergänglichen. Glaubst du an irgendeinen von ihnen?« Er stellte sich hinter Alk und zog ihm die Jacke über die Schultern. Dann bückte er sich und half ihm in die Stiefel.
»Ob ich an den Einen glaube!«, rief Alk und zog sich den rechten Stiefel an. »Hier in Aberath, zu dieser Jahreszeit wäre es wohl schwer, nicht an ihn zu glauben, aber…« Er stieg in den linken Stiefel und stampfte mehrmals damit auf, während er nachdachte. »Sagen wir es einmal so. Ich habe an meine Maschinen geglaubt, als sie nichts weiter als eine Idee waren, die mir im Kopf herumspukte, aber nichts, was ich sehen oder anfassen konnte. Wer kann sagen, dass der Eine nicht so wirklich ist wie meine Maschinen, als sie noch ausschließlich in meinem Kopf existierten – oder so wirklich, wie sie jetzt sind?« Er zupfte an dem Verschluss hinten am Hemdkragen, um sich zu vergewissern, dass Mitt ihn fest zugebunden hatte, und stapfte zur Tür. »Kommst du mit?«
Im großen Saal stand das Abendessen bereit. Mitt kam der Gedanke, dass er dann die Aufgabe hätte, Kialan bei Tisch zu bedienen. Das hätte er nicht ertragen. »Ich muss mein Zeugs sauber machen und packen«, sagte er. »Ich muss morgen früh nach Adenmund.«
»So, musst du?« Alk wandte sich in der Tür noch einmal um und sah Mitt streng an. »Dann sorge dafür, dass jemand dir Essen bringt«, sagte er. »Ich glaube, ich bin jetzt auf dem richtigen Gleis, Mitt, und es will mir gar nicht gefallen. Es gefällt mir nicht besser als dir. Tu nichts Unüberlegtes, bevor wir noch einmal miteinander gesprochen haben.«
2.
Als Mitt jedoch nach Adenmund aufbrach, war es zu keinem weiteren Gespräch mehr mit Alk gekommen. Die Gräfin hatte offensichtlich strikte Anweisungen erteilt. Man weckte ihn vor der Morgendämmerung, gab ihm zu essen und brachte ihn bei Sonnenaufgang zum Stall, wo ihn der Waffenmeister in sehr schlechter Laune erwartete. Mitt seufzte und sah zu, wie erst jede Schnalle, jeder Beutel und jeder Knopf überprüft wurde, dann jedes einzelne Stückchen Zaumzeug. Er hatte überlegt, seinen Gürtel mit dem Schwert auf der einen und dem Dolch auf der anderen Seite an einen Nagel zu hängen und absichtlich zu vergessen. Mit dem wütenden Waffenmeister im Nacken stand das jedoch außer Frage.
»Ich lasse nicht zu, dass du mir in diesem schmierigen kleinen Adenmund Schande machst«, sagte der Waffenmeister, als Mitt aufs Pferd stieg.
Mitt hoffte ein wenig, das Pferd würde versuchen, den Waffenmeister zu beißen, denn es biss alle
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