Jones, Susanna
in Ordnung?»
«Bestens. Da hast du dein T-Shirt wieder.»
«Danke.» Teiji nahm das zusammengeknüllte T-Shirt betreten entgegen. Er wusste, dass er etwas getan hatte, was nicht richtig war.
Lily sah erst ihn, dann mich an. «Nur gut, dass wir dir den Zettel dagelassen haben, sonst hättest du gar nicht gewusst, wo du uns finden solltest.» Sie sprach in munterem Ton, hörbar erfreut darüber, dass ihr genialer Einfall den Tag gerettet hatte.
«Was für einen Zettel?»
«Ach, wir haben dir einen Zettel unter einen Stein gelegt. Darauf stand, dass wir hierher fahren und dich später abholen, falls du nicht nachkommst.»
«Ich hab keinen Zettel gesehen.»
«Dann hat es ihn wohl weggeweht. Es tut mir wirklich Leid.»
«Ich bin hierher gekommen, weil es der einzige mögliche Ort war, wo ich nach euch suchen konnte. Ich hätte im Sterben liegen können. Ich hätte von der Klippe ins Meer geweht werden können.»
Ich versuchte, es ins Scherzhafte zu ziehen, aber als es herauskam, klang es genauso bitter, wie ich es empfand. Ich wusste, dass es nie einen Zettel gegeben hatte. Keiner von ihnen hatte Stift oder Papier dabeigehabt. Teiji hatte sich im Zug beides von mir geliehen, um das Kanji für mori zu schreiben, und es mir dann wieder zurückgegeben. Schon vergessen? Lucy ist doch nicht blöd.
«Ich hab dich doch untersucht», sagte Lily. «Du warst einfach erschöpft und warst außerdem zu schnell gefahren. Davon ist dir übel geworden. Es war besser, dich ausschlafen zu lassen, als dich zu zwingen, dich wieder aufs Moped zu setzen und die Sache dadurch noch schlimmer zu machen. Es ist ja auch möglich, dass du dir ein Virus geholt hast und dich davon ein bisschen schwach fühlst.»
«Wird schon so sein, wie du sagst. Du bist Krankenschwester, ich bin keine. Dann habe ich also die Besichtigung der Goldmine verpasst.»
«Hast du nicht, du Dummerchen. Du kannst jetzt reingehen. Es ist sehr interessant. Da sind so mechanische Puppen,
die zeigen, wie es damals wirklich war. Ich hab gar nichts dagegen, es mir noch einmal anzusehen. Sie, Teiji?»
«Nein, überhaupt nicht.» Er sah mich dabei nicht an.
«Das ist doch idiotisch, wenn ihr beiden es schon gesehen habt.»
«Uns stört's nicht. Komm schon, gehen wir.» Lily machte Anstalten, wieder zurückzugehen.
«Nein. Wenn ich gehe, dann gehe ich allein. Ihr beiden wollt vermutlich nicht noch mehr Zeit verplempern, also solltet ihr euch jetzt besser auf die Socken machen. Laut meinem Buch gibt's in Mano ein paar sehr interessante Tempel.»
«Sei nicht blöd.» Sie ging ein paar Schritte weiter. «Wir gehen alle zusammen in die Mine. Komm schon.»
«Und eine fünfstöckige Pagode. Ich bin sicher, sie wird euch sehr gefallen.»
Teiji legte mir auffordernd eine Hand an den Ellbogen. «Lucy. Wir gehen noch einmal zusammen ins Bergwerksmuseum. Tut uns Leid, dass wir dich zurückgelassen haben.»
«Nein. Vergiss es. Mir ist jetzt nicht danach.» Ich riss mich los.
Ich hätte Teiji nicht anfahren dürfen. Böse Worte sind noch nie was für ihn gewesen, und «schmollen» gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Wenn seine Mutter oder sein Vater ihn je angeschrien hätten, dann wäre er zwischen den Reisfeldern davongeradelt und hätte den Zorn einfach hinter sich gelassen. Aber ich bin sicher, dass er noch nie angeschrien worden war. In diesem Moment zerstörte ich einen Großteil dessen, was uns verbunden hatte - zumindest meine Illusionen darüber und redete wie eine zänkische alte Ehefrau. Der Stich war tief gegangen, und das Gift tat weh. Wie konnte er nur sagen: Es tut uns Leid ? Seit wann entschuldigten sich Lily und Teiji als Duo? -
«Du hast halt nicht sonderlich begeistert geklungen, als wir heute Morgen davon sprachen. Deswegen dachten wir, es würde dich nicht stören, wenn wir ohne dich hingingen.» Lily die Schlichterin. Lily die Heilerin, die Schwester.
«Ja, du hast Recht. Ist schon gut.»
Aber an dem Morgen hatte ich doch klipp und klar gesagt, dass ich da hinwollte. Es war Teiji, dem es egal gewesen war. Das wusste ich ganz genau.
Wir ließen es nicht zum Streit kommen, diskutierten nicht weiter darüber. Wir gingen schweigend zu unseren Mopeds und machten uns dann auf den Weg zu unserem Hotel in Mano. Allmählich ließen ihre Beschämung und meine Wut nach, und wir behalfen uns so lange mit vorsichtigen, überhöflichen Bemerkungen, bis wir schließlich, am späten Abend, wieder so weit waren, dass wir uns fast ungezwungen unterhielten.
In
Weitere Kostenlose Bücher