Jones, Susanna
ein Bild von Lily und mir, wie wir auf unsere Mopeds stiegen. Wir fuhren zur Senkaku-wan, um uns die für ihre Schönheit berühmten Klippen anzusehen. Und während dieser Fahrt passierte mit Lucy etwas. Eine unerwartete Erregung packte sie, und ehe sie's richtig merkte, fuhr sie immer schneller und schneller. Sie wusste, dass sie riskierte, die Kontrolle über die Maschine zu verlieren - wann hatte sie das letzte Mal auf einem Moped gesessen? -, brachte es aber einfach nicht fertig, Gas wegzunehmen. Die Strecke vor mir war frei, und meine Knöchel waren weiß. Ich raste die harte graue Straße entlang und ließ Lily und Teiji weit hinter mir zurück. Als wir die Senkaku-wan erreichten, bremste ich und flog beinah über den Lenker.
Ich ließ das Moped stehen und machte mich auf den Weg zu den Klippen, aber plötzlich wurde mir schwindlig. Es konnte von der Fahrt kommen - ich hatte mich schon da etwas benommen gefühlt - oder vom Fischauge, das ich zum Frühstück verspeist hatte, oder vom Radschlagen am vorigen Abend. Es ist nicht Lucys Art, krank zu werden, also ignorierte ich eine Zeit lang das Gefühl und versuchte, die Aussicht zu genießen. Aber mein Magen rebellierte, und ich hatte überhaupt keine Kraft mehr in den Knien. Ich spürte, dass ich nicht mehr weiterkonnte.
«Tut mir Leid», sagte ich zu Lily und Teiji und fiel um. Ich machte die Augen zu und verschwand. Im Fallen nahm ich verschwommen zwei verblüffte Gesichter wahr, die mir zusahen, wie ich erschlaffte und fiel, aber ich bekam die Augen nicht wieder auf. Vielleicht träumte ich es, oder vielleicht war es wirklich so, dass Lily mir eine kühle Hand an die Stirn legte, mich auf die Seite rollte und meinen Kopf anhob, um etwas Weiches darunterzuschieben.
«Schlaf einfach. Das wird dir gut tun», sagte jemand. «Das macht nichts. Du kannst ja nichts dafür - das weißt du doch, oder?» Es war eine weibliche Stimme, also nahm ich an, es sei Lilys Stimme, aber wenn ich jetzt genau darüber nachdenke, wird mir klar, dass sie Japanisch sprach. Es war sonst niemand da. Vielleicht war es keine Frauenstimme, sondern Teijis, die plötzlich fremd klang.
Als ich wieder erschien, machte ich langsam die Augen auf. Die Welt bestand aus lauter Punkten und Linien, die mir Kopfschmerzen bereiteten, bis sie sich zurechtschoben. Ich setzte mich auf. Nur ein paar Meter von mir entfernt fiel es steil ins Meer ab. Die Klippen waren schroff und zerklüftet, nicht besonders anheimelnd. Ich machte ein paar zittrige Atemzüge. Davon fühlte ich mich ein bisschen besser. Ich war allein. Ich sah in jede Richtung, aber Lily und Teiji waren nicht da.
Ich stand auf und ging zu meinem Moped zurück. Die beiden anderen waren verschwunden. Lily und Teiji hatten mich verlassen. Was konnte ich tun, wenn ich doch keine Ahnung hatte, wo sie hin waren? Mir wurde bewusst, dass ich den Gegenstand in der Hand hielt, der mir als Kissen gedient hatte. Es war Teijis T-Shirt. Ich hielt es mir ans Gesicht. Die Wärme, die es enthielt, kam ausschließlich von mir, nicht von Teiji, und es war eine einsame Wärme. Ich brach in Tränen aus. Er wollte nicht mehr mit mir zusammen sein, seit dem Augenblick nicht mehr, als er zu dem Schluss gelangt war, ich sei eigenartig - seit ich ihm von Brian Church erzählt hatte.
«Wo soll ich nur hin?», weinte ich die See an. «Komm zurück.»
Ich wartete und wartete, wobei ich abwechselnd weinte und wütend auf dem Felsplateau auf und ab lief. Wenn sie Hilfe holen gefahren wären, dann hätten sie mittlerweile längst wieder zurück sein müssen. Knapp fünf Minuten die Straße hinunter gab es Campingplätze und Jugendherbergen.
Als ich genug vom Warten hatte, machte ich mich auf den Weg nach Kinzan, zum Bergbaumuseum. Die Fahrt ging ein Stück weiter die Küste entlang, dann eine schmale gewundene Straße hoch, in die Berge hinein. Die alte Goldmine lag mitten im Wald, mit ein paar Touristenbussen, die draußen parkten. Ich fuhr auf den Parkplatz und stieg vom Moped ab. Lily und Teiji kamen gerade aus dem Museum heraus. Teiji trug ein neues T-Shirt, auf dem vorn in großen blauen und schwarzen Buchstaben «Sado» stand. Sie lachten über irgendetwas, und es vergingen ein paar Augenblicke, bevor sie mich überhaupt bemerkten.
«Ihr scheint euch ja prächtig amüsiert zu haben.» Ich stellte mich ihnen in den Weg. Sie machten ein Gesicht, als wären sie beim Schuleschwänzen erwischt worden.
«Lucy! Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Ist alles
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