Jones, Susanna
ich mir einen raschen Blick aufs Wasser.
Im minshuku waren Lily und Teiji inzwischen auf und angezogen. Die Wirtin war im Zimmer und lud das Frühstück von großen Tabletts auf unseren niedrigen Tisch um. Schüsseln mit Reis, Miso-Suppe, rohe Eier, eingesalzene Fische. Das Auge meines Fisches starrte ausdruckslos hoch, als hätte er mir etwas zu sagen gehabt, aber vergessen, was es war. Lily missfiel es, dass ihr Fisch noch den Kopf dranhatte, und besonders die Vorstellung eines Auges am Frühstückstisch machte ihr zu schaffen. Sie deckte das Auge mit einem Stück getrockneten Seetang ab, schnitt den Kopf ab und reichte ihn mir, damit ich ihn ins Klo warf. Ich tat es. Als ich daranging, meinen Fisch zu essen, holte ich das weiche schwarze Auge mit der Spitze eines Stäbchens aus seiner Höhle und aß es ohne etwas dazu auf. Es schmeckte nach Fisch.
«Sehr nährstoffreich», sagte ich und pulte mir ein Fetzchen Membran aus den Zähnen.
«O Gott», flüsterte Lily. «Ich glaub's einfach nicht, dass du das grad getan hast. Das ist das Widerlichste, was ich je gesehen habe. Du bist abartig.»
Vielleicht war ich das ja, aber das Fischauge hatte ich nur gegessen, weil ich wusste, dass es Lily anekeln würde. Normalerweise pflege ich, wie jeder andere auch, einfach das Fleisch von den Gräten zu zupfen und aufzuessen und den Kopf unangetastet zu lassen.
Teiji amüsierte sich über Lilys Reaktion. «Das Biest ist doch tot.»
«Aber das Auge -»
«Sie sind Krankenschwester. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so zimperlich sind. Sie haben doch bestimmt manchmal mit verletzten Augen zu tun.»
«Schon, aber ich ess sie nicht.»
Teiji grinste. Er umwickelte einen Klumpen Reis mit Seetang und biss, noch immer in sich hineinlächelnd, davon ab.
Teiji und ich langten kräftig zu, während Lily ihren Fisch oberflächlich zerzupfte und ihn sich, abwechselnd mit einzelnen Reiskörnern aus ihrer Schüssel, bröckchenweise in den Mund steckte.
«Trink doch etwas Tee.» Ich goss grünen Tee in die drei kleinen Tassen.
«Danke. Das ist das Einzige am japanischen Frühstück, womit ich keine Probleme habe.»
«Du wirst schon noch auf den Geschmack kommen.»
«Muss ich wohl. Da ich vorhabe, noch eine Weile hier zu bleiben.»
«Du fährst also nicht weg? Das ist ja erfreulich zu hören.» Ich war stolz auf meinen Erfolg.
«Wo ich schon mal hier bin, sollte ich es doch wohl ausnützen, oder? Jetzt, wo ich ein paar Bröckchen Japanisch lerne, sieht es auch irgendwie nicht mehr so hoffnungslos aus. Und vor allen Dingen, dass ich Freunde habe, ist für mich ein Grund zu bleiben, denn jetzt habe ich auf einmal das Gefühl, als wär's für mich das Richtige, hier zu sein, als gehörte ich irgendwie hierher. Versteht ihr, was ich meine?»
Wir nickten.
«Aber das heißt noch lange nicht, dass ich am Morgen als Erstes einem toten Fisch ins Gesicht sehen möchte. Können wir nachher ein Eis essen?»
«Warum nicht?» Teiji trank seinen Tee in einem Schluck aus und spülte damit einen Mund voll Reis hinunter.
«Gut. Was machen wir denn heute?»
Ich rasselte die Liste von Möglichkeiten aus meinem Reiseführer herunter und fragte die anderen, worauf sie Lust hätten. Lily wollte die Sehenswürdigkeiten sehen. Teiji lag weniger an Museen und Denkmälern als an der Landschaft, aber er meinte, es sei ihm gleich, was wir täten.
«Ich bin von Wasser und Bergen umgeben, und nur das zählt für mich. Ich richte mich ganz nach euch. Hier zu sein reicht mir völlig aus.»
«Es gibt ein Museum in einer alten Goldmine», sagte ich. «Das könnte interessant sein.»
Ich gehe gern unter die Erde, ob mit, ob ohne Aussicht auf Gold. Ich hab's gern, ein bisschen Platzangst, ein bisschen Dunkelheit und ein bisschen Panik zu erleben, bevor ich wieder ins Freie komme. Es ist wichtig, für sein Geld was geboten zu bekommen. Ich wollte in die Grube einsteigen, um mir vorstellen zu können, ich sei lebendig begraben, für immer in einem Wurmloch mit goldgesprenkelter Tapete gefangen.
Wir beschlossen, nach Süden in Richtung Aikawa zu fahren und die alten Goldminen zu besichtigen. Unterwegs würden wir irgendwo anhalten und uns ein paar Klippen und kleine Inseln ansehen. Am Nachmittag konnten wir vielleicht Tempel, Museen, No-Theater besichtigen. Übernachten würden wir in einem Gasthaus in Mano. Danach blieb uns fast noch ein ganzer Tag, bevor wir nach Tokio zurückfahren würden.
Teiji legte einen neuen Film in seine Kamera ein und machte rasch
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