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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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wenn man dies sagen könnte, so sage doch ich es nicht, und wenn ich die Finger zum Munde geführt habe zu irgendeiner Kußhand, so will ich sie nicht wieder dahin führen, um zu essen, so daß ich verhungere. Und ich will auch dann nicht mehr essen, sondern es vorziehen, zu verhungern, wenn das Väterchen es sich nicht augenblicklich bequem macht und sich zum Sohne niedersetzt auf den Rand der Tiefe. Ohnedies steht mein Herr schon viel zu lange auf seinen Füßen, da er doch an der Hüfte eine heilige Schwäche hat, von der man sehr wohl weiß, auf welche hocheigentümliche Weise er dazu gekommen –«
    Er wagte es, zu dem Alten niederzutreten und behutsam den Arm um seine Schultern zu legen, überzeugt, ihn durch sein Geschwätz verzaubert und besänftigt zu haben; und Jaakob, der, mit der kleinen steinernen Siegelwalze spielend, die ihm auf der Brust hing, in Gottesgrübeleien gestanden hatte, gab aufseufzend dem leichten Drucke nach, setzte den Fuß auf die Rundstufe und setzte sich auf den Brunnenrand nieder, indem er den Stab in den Arm lehnte, sein Kleid ordnete und nun seinerseits das Gesicht dem Monde zuwandte, der klar seine zarte Greisenmajestät erhellte und seine klug besorgten kastanienbraunen Augen spiegelig glänzen ließ. Zu seinen Füßen saß Joseph dem Bilde gemäß, das er schon früher ersehen und empfohlen hatte. Und während er Jaakobs Hand auf seinem Haare spürte, die sich in streichelnder Bewegung, dem Alten wohl unbewußt, darauf niedergelassen, fuhr er mit leiserer Stimme zu sprechen fort:
    »Siehe, so ist es fein und lieblich, und alle drei Nachtwachen lang möchte ich so sitzen, wie ich es mir schon längst gewünscht. Mein Herr blickt empor in das Antlitz droben, und ich habe es ebenso gut, da ich mit dem äußersten Vergnügen in das seine blicke, das ich ebenfalls sehe wie eines Gottes Antlitz und das da leuchtet vom Widerschein. Sage, hast du nicht meines rauhen Oheims Esau Angesicht gesehen wie des Mondes Angesicht, als er so unverhofft sanft und brüderlich dir begegnete an der Furt, gemäß deinem Berichte? Aber auch das war nur ein Widerschein der Milde auf einem rauh glühenden Angesicht, deines Antlitzes Widerschein, lieber Herr, das zu sehen ist wie des Mondes und wie Habels, des Hirten, dessen Opfer dem Herrn wohlgefällig war und nicht wie Kains und Esau’s, deren Gesichter sind wie der Acker, wenn ihn die Sonne zerreißt, und wie die Scholle, wenn sie vor Dürre rissig wird. Ja, du bist Habel, der Mond und der Hirt, und alle die Deinen, wir sind Hirten und Schäfersleute und nicht Leute der ackerbauenden Sonne, wie die Bauern des Landes, die schwitzend hinter dem Pflugholze gehen und hinter dem Rindvieh des Pfluges und zu den Baalim des Landes beten. Wir aber blicken auf zum Herrn des Weges, dem Wanderer, der da ziehet im weißen Gewande glänzend herauf ... Sage mir doch«, fuhr er in einem Zuge fort, beinahe ohne sich Atem zu gönnen, »ist nicht Abiram, unser Vater, ausgezogen von Ur in Chaldäa im Verdruß, und hat er nicht hinter sich gelassen die Mondburg seiner Stätte im Zorn, weil der Gesetzgeber seinem Gotte Marudug, der da ist der Sonnenbrand, mächtig das Haupt erhoben und ihn erhöht hatte über alle Götter von Sinear zum Verdruß der Leute des Sin? Und sage mir doch, nennen seine Leute dort draußen ihn nicht auch Sem, wenn sie ihn recht erhöhen wollen – so wie da hieß Noahs Sohn, des Kinder sind schwarz, aber lieblich, wie Rahel war, und wohnen zu Elam, Assur, Arpachsad, Lud und Edom? Warte und höre, denn dem Kinde fällt etwas ein! Hieß nicht Abrams Weib Sahar, das ist der Mond? Siehe nun einmal an, ich werde dir eine kleine Rechnung machen. Sieben mal fünfzig Tage sind die Tage des Kreislaufs und vier darüber. In jedem Monat aber sind es drei Tage, daß die Menschen den Mond nicht sehen. Vermindere nun, mein Herr, wenn ich bitten darf, jene dreihundertvierundfünfzig um diese drei mal zwölf, und es sind dreihundertachtzehn Nächte des sichtbaren Mondes. Aber dreihundertachtzehn hausbürtige Knechte waren es an der Zahl, mit denen Abraham schlug die Könige aus Osten und sie trieb bis über Damask und Lot, seinen Bruder, befreite aus der Hand Kudur-Laomers, des Elamiten. Siehe doch an, so hat Abiram, unser Vater, den Mond geliebt, und so fromm war er ihm, daß er zum Kampfe abzählte seine Knechte genau nach den Tagen seines Scheines. Und gesetzt, ich hätte ihm Kußhände geworfen, nicht eine, sondern dreihundertachtzehn, während ich ihm in

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