Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
erschrocken. Er war aufgesprungen vom Brunnenrande, um in seinen knielangen, braun und gelben Kittel zu fahren, den der Vater genommen und ihm hingereicht; aber die rasche Bewegung und das Aufrechtstehen schien zugleich seine Abwehr ausdrücken zu sollen gegen des Alten Verdacht, den es um jeden Preis zu entkräften galt – und mit allen Mitteln. Geben wir acht, hier war alles sehr kennzeichnend! Jaakobs mehrfach geschichtete und beziehungshaft verschränkte Denkweise bewährte sich in der Art, wie er drei Vorwürfe zu einem machte: den der hygienischen Unvorsichtigkeit, des Mangels an Schamhaftigkeit und des religiösen Rückfalls. Der letztere war die unterste und schlimmste Lage des Besorgniskomplexes, und Joseph, beide Arme halb in den Ärmeln des Kittels, dessen Kopfloch er in der Aufregung nicht finden konnte, zog seinen Kampf mit dem Kleidungsstück mit heran, um anschaulich zu machen, wie sehr ihm daran gelegen war, ein Verhalten abzuleugnen, das er zugleich auf die verschmitzteste Art zu rechtfertigen wußte.
    »Dies nie und nimmer! Das ganz und gar nicht!« beteuerte er, während sein hübscher und schöner Kopf den Weg durch des Kittels Ausschnitt fand; und bestrebt, die Überzeugungskraft seiner Verwahrung durch die Gewähltheit seiner Redewendungen zu erhöhen, fügte er hinzu:
    »Des Väterchens Meinung ist, das versichere ich, in der betrübendsten Weise vom Irrtum umdunkelt!«
    Er rückte erregt den Rock mit den Schultern zurecht und zog ihn mit beiden Händen hinunter, griff nach dem Myrtenzweiggebinde auf seinem Kopf, um das Zerzauste beiseitezuwerfen, und begann ohne Hinblicken an den Schnüren zu nesteln, mit denen der Rock unter dem Halsausschnitt zu schließen war. »Von Kußhänden kann auch nicht im entferntesten ... Wie sollte ich ein solch großes Übel tun? Habe mein teurer Herr doch die Gnade, meine Fehler nachzurechnen, und siehe, er wird finden, daß sie nicht zählen! Ich blickte empor, gewiß, das trifft zu. Ich sah das Licht strahlen, es prächtig dahinziehen, und meine von den Feuerpfeilen der Sonne verletzten Augen haben sich gekühlt in dem linden Schein des Gebildes der Nacht. Denn so heißt es im Liede und gehet unter den Menschen von Mund zu Mund:
    Dich, Sin, ließ er glänzen. Die Zeit zu bestimmen,
    In Wechsel und Wandel, vermählt’ er die Nacht dir
    Und krönte mit Hoheit dein festlich Vollenden.«
    Er litaneite das, um eine Brunnenstufe über den Alten erhöht, die Hände aufgestellt, indem er den Oberkörper bei jedem ersten Halbvers nach einer Seite und bei dem zweiten nach der anderen sinken ließ.
    »Schapattu«, sagte er. »Das ist der Tag des festlichen Vollendens, der Tag der Schönheit. Er steht nahe bevor, morgen oder zweimal morgen wird er eintreten. Aber auch am Sabbat werde ich nicht daran denken, dem Zeitbestimmer auch nur die kleinste und versteckteste Kußhand zu werfen, denn es heißt nicht, daß er von selber glänzte, sondern daß Er ihn glänzen ließ und ihm die Krone verlieh ...«
    »Wer«, fragte Jaakob leise. »Wer ließ ihn glänzen?«
    »Mardug-Bel!« rief Joseph vorschnell, ließ dem aber sogleich ein langgezogenes »Eh –« folgen, währenddessen er austilgend den Kopf schüttelte, und fuhr fort:
    »... Wie sie ihn nennen in den Geschichten. Es ist jedoch – das Väterchen muß das nicht von diesem erbärmlichen Kinde erfahren – der Herr der Götter, welcher stärker ist denn alle Anunnaki und die Baale der Völker, der Gott Abrahams, der den Drachen schlug und die dreifache Welt erschuf. Wenn er zürnend sich abkehrt, wendet er nicht wieder seinen Nacken, und wenn er ergrimmt, tritt kein anderer Gott seiner Wut entgegen. Der Hochherzige ist er, umfassenden Sinnes, Frevler und Sünder sind ein Gestank seiner Nase, aber dem, der da zog aus Ur, hat er sich zugeneigt und einen Bund mit ihm errichtet, daß er sein Gott sein wolle, sein und seines Samens. Und sein Segen ist gekommen auf Jaakob, meinen Herrn, welchem bekanntlich als schöner Name der Titel Jisrael gebührt und der da ist ein großer Verkünder, aller Einsicht voll, und sehr weit entfernt, seine Kinder so fehlerhaft zu unterweisen, daß sie es sich beikommen ließen, den Gestirnen Kußhände zuzuwerfen, wie solche doch einzig dem Herrn gebühren würden unter der zu verneinenden Voraussetzung, daß sie sich schicken würden ihm gegenüber, was aber so wenig der Fall ist, daß man sagen könnte, immer noch im Vergleich sei es schicklicher, sie den blanken Gestirnen zu werfen. Aber

Weitere Kostenlose Bücher