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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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erkennen mußte. Der Alte hatte noch ein und das andere ernste Wort mit ihm zu reden. Die Sorge wegen des Löwen war nicht seine einzige gewesen; Joseph hatte Anlaß zu weiteren gegeben, und nichts war ihm geschenkt. Er hörte:
    »Es ist ein Land weit unten, das Land Hagars, der Magd, Chams Land oder das schwarze geheißen, das äffische Ägypterland. Denn seine Leute sind schwarz an der Seele, wenn auch rötlich von Angesicht, und kommen alt aus Mutterleib, so daß ihre Säuglinge kleinen Greisen gleichen und schon nach einer Stunde anfangen, vom Tode zu lallen. Sie tragen, wie ich vernahm, ihres Gottes Mannheit drei Ellen lang durch die Gassen mit Trommeln und Saitenspiel und buhlen in Gräbern mit geschminkten Leichnamen. Ohne Ausnahme sind sie dünkelhaft, lüstern und traurig. Sie kleiden sich nach dem Fluche, der Cham getroffen, welcher nackt gehen sollte mit bloßer Scham, denn Leinewand, dünn wie Spinnenwerk, bedeckt ihre Blöße, ohne sie zu verbergen, und damit wissen sie sich noch gar viel und sagen, sie trügen gewebte Luft. Denn sie schämen sich nicht ihres Fleisches und haben für die Sünde weder Wort noch Verstand. Die Bäuche ihrer Toten stopfen sie mit Spezereien und legen an die Stelle des Herzens mit Recht das Bild eines Mistkäfers. Sie sind reich und unflätig wie Sodoms und Amoras Leute. Nach Belieben stellen sie ihre Betten mit denen der Nachbarn zusammen und tauschen die Weiber aus. Geht eine Frau über den Markt und sieht einen Jüngling, nach dem es sie gelüstet, so legt sie sich zu ihm. Sie sind wie Tiere und bücken sich vor Tieren im Innersten ihrer uralten Tempel, und ich bin berichtet, daß ein bis dahin reines Mädchen sich dort vor allem Volke von einem Bock namens Bindidi hat bespringen lassen. Billigt mein Sohn diese Sitten?«
    Da Joseph einsah, auf welchen Verstoß sich solche Worte bezogen, ließ er Kopf und Unterlippe hängen, wie ein kleiner Junge, der gescholten wird. In dem Ausdruck halb schmollender Bußfertigkeit aber verbarg er ein Lächeln; denn er wußte, daß Jaakobs Schilderung der Sitten von Mizraim starke Verallgemeinerungen, Einseitigkeiten und Übertreibungen enthielt. Nach einigem zerknirschten Verstummen schlug er, zur Antwort angehalten, bittende Augen auf, die in denen des Vaters nach dem ersten Schein eines Lächelns der Versöhnung forschten und es durch vorsichtiges Entgegenkommen, ein abwechselndes Sichvorwagen und Sichwiederzurücknehmen eigener Lustigkeit herauszulocken suchten. Vermittelnde Rede trieb schon ihr Spiel darin, bevor er sagte:
    »Wenn dem so ist dort unten, lieber Herr, so hütet dies unvollkommene Kind hier sich wohl in seinem Herzen, es gutzuheißen. Immerhin scheint mir, daß die Feinheit der ägyptischen Leinwand, und daß sie wie Luft ist, von der Geschicklichkeit jener greisen Mistkäfer im Handwerk ein Zeugnis ablegt, welches von einer anderen Seite her und bedingungsweis für sie einnehmen könnte. Und wenn ihr Fleisch ihnen keine Scham macht, so könnte jemand, der in der Nachsicht überweit gehen wollte, vielleicht zu ihrer Entschuldigung anführen, daß sie meistens recht mager am Leibe sind und spärlichen Fleisches, daß aber feistes Fleisch mehr Anlaß hat, sich zu schämen, als dürres, und zwar ...«
    Da war es nun Jaakobs Sache, sich ernst zu halten. Er versetzte mit einer Stimme, in der scheltende Ungeduld und Zärtlichkeit einen bewegten Kampf führten:
    »Du sprichst wie ein Kind! Du weißt die Worte zu fügen, und deine Rede ist einnehmend wie eines listigen Kamelhändlers beim Feilschen, ihr Sinn jedoch überaus kindisch. Ich will nicht glauben, daß du beabsichtigst, meiner Bangigkeit zu spotten, die mich zittern läßt, du möchtest dem Herrn mißfallen und seinen Eifer erregen über dich und Abrahams Samen. Meine Augen haben gesehen, daß du nackt saßest unter dem Monde, als ob nicht der Höchste in unser Herz gegeben hätte das Wissen der Sünde, und als ob nicht die Nächte des Frühjahrs kühl wären auf diesen Höhen nach des Tages Hitze und nicht der böse Fluß dich befallen könnte über Nacht und Fieber dich sinnlos machen, ehe der Hahn kräht. Darum will ich, daß du sogleich deinen Oberrock anlegst zu dem Hemd nach der Frömmigkeit der Kinder Sems. Denn es ist wollen, und ein Wind gehet von Gilead. Und ich will, daß du mich nicht ängstigest, denn meine Augen haben noch mehr gesehen, und ich fürchte, sie sahen, daß du den Gestirnen Kußhände zuwarfst ...«
    »Mitnichten!« rief Joseph, heftig

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