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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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gegraust.
    Was gegenwärtig denn nun den Alten in so augenfälliges Sinnen versetzte, waren Erinnerungen, zu denen das Geplauder des Sohnes vom »Namen« seinen Geist aufgerufen hatte, – traumschwere, hohe und ängstliche Erinnerungen aus alten Tagen, da er in großer Körperfurcht, der Wiederbegegnung mit dem geprellten und zweifellos rachbegierigen Wüstenbruder gewärtig, so inbrunstvoll nach geistiger Macht getrachtet und mit dem besonderen Manne, der ihn überfallen, um den Namen gerungen hatte. Ein schwerer, schrecklicher und hochwollüstiger Traum von verzweifelter Süße, aber kein luftiger und vergehender, von dem nichts erübrigte, sondern ein Traum, so körperheiß und wirklichkeitsdicht, daß doppelte Lebenshinterlassenschaft von ihm liegengeblieben war, wie Meeresfrucht am Land bei der Ebbe: das Gebrechen von Jaakobs Hüfte, des Pfannengelenks, daraus er hinkte, seit der Besondere es im Ringen verrenkt hatte, und zweitens der Name, – aber nicht des eigentümlichen Mannes Name: der war aufs äußerste verweigert worden, bis in die Morgenröte, bis in die Gefahr der peinlichsten Verspätung, wie keuchend heiß und unablässig gewalttätig Jaakob ihn auch von ihm gefordert hatte; nein, sondern sein eigener anderer und zweiter Name, der Beiname, den der Fremde ihm im Kampfe vermacht, damit er von ihm ließe vor Sonnenaufgang und ihn vor peinlicher Verspätung bewahrte, der Ehrentitel, den man ihm seitdem beilegte, wenn man ihm schmeicheln, ihn lächeln sehen wollte: Jisrael, »Gott führt Krieg« ... Er sah die Furt des Jabbok wieder vor sich, an deren buschigem Zugang er in Einsamkeit verblieben war, nachdem er die Frauen, die Elfe und die für Esau ausgesonderten Sühngeschenke an Vieh schon hindurchgeführt; sah die unruhig bewölkte Nacht, in der er, zwischen zwei Schlummerversuchen, unruhevoll wie der Himmel, umhergestrichen war, noch zitternd von der mit Gottes Hilfe leidlich verlaufenen Auseinandersetzung mit Rahels überlistetem Vater und schon wieder gequält von schwerer Besorgnis vor dem Anrücken eines anderen Betrogenen und Verkürzten. Wie er die Elohim betend ermahnt, sie geradezu zur Pflicht gerufen hatte, ihm beizustehen! Und auch den Mann, mit dem er, Gott wußte, wie, unversehens in ein Ringen auf Leben und Tod geraten war, sah er in dem plötzlich grell aus Wolken tretenden Monde von damals wieder so nahe, wie Brust an Brust: seine weit auseinanderstehenden Rindsaugen, die nicht nickten, sein Gesicht, das, wie auch die Schultern, poliertem Steine glich; und etwas von der grausamen Lust trat wieder in sein Herz, die er damals verspürt, als er ihm mit ächzendem Flüstern den Namen abgefordert ... Wie stark er gewesen war! Verzweifelt traumstark und ausdauernd aus unvermuteten Kraftvorräten der Seele. Die ganze Nacht hatte er ausgehalten, bis ins Morgenrot, bis er sah, daß es dem Manne zu spät wurde, bis der verlegen gebeten hatte: »Laß mich gehn!« Keiner hatte den anderen übermocht, aber hieß das nicht obgesiegt haben für Jaakob, der kein eigentümlicher Mann war, sondern ein Mann von hier, aus der Menschen Samen? Ihm war, als habe der Weitäugige seine Zweifel daran gehabt. Der schmerzhafte Schlag und Griff nach der Hüfte hatte wie eine Untersuchung ausgesehen. Vielleicht hatte er der Feststellung dienen sollen, ob das da eine Gelenkkugel sei, beweglich und nicht etwa unbeweglich, wie bei seinesgleichen, der nicht zum Sitzen eingerichtet war ... Und dann hatte der Mann die Sache so zu wenden gewußt, daß er sich zwar nicht seines Namens entäußert, aber dafür dem Jaakob einen verliehen hatte. Deutlich wie damals hörte dieser im Sinnen die hohe und erzene Stimme, die zu ihm gesprochen: »Fortan sollst du Jisrael heißen« –, woraufhin er den Inhaber dieser besonderen Stimme aus seinen Armen entlassen hatte, so daß er denn hoffentlich mit knapper Not noch mochte zur Zeit gekommen sein ...
    Vom äffischen Ägypterland
    Die Art, in der der feierliche Alte sein Sinnen beendete und aus tiefer Abwesenheit zurückkehrte, war nicht weniger ausdrucksvoll als sein Versinken darein. Hoch aufseufzend, mit schwerer Würde, richtete er sich daraus empor, schüttelte es von sich und blickte erhobenen Hauptes groß im Leeren umher wie ein Erwachender, sinnfälligst sich sammelnd und sich in die Gegenwart wieder findend. Der Vorschlag Josephs, sich zu ihm niederzulassen, schien überhört. Auch war es nicht der Augenblick für ansprechende Histörchen, wie dieser zu seiner Beschämung

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