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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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unpassenderweise, verkehrten die Augäpfel sich ihm ins Weiße. Jaakob sah es nicht, aber er hatte gelauscht. Er neigte sich gegen ihn, und seine Hände waren über und neben dem Kopf des Knaben in vorsichtig entfernter Beschirmung. Dann legte er ihm doch die Linke wieder aufs Haar, wodurch sogleich eine Entspannung von Josephs Zustand bewirkt wurde, und während er mit der anderen die Rechte des Sohnes auf dessen Knien suchte, sagte er mit behutsamer Vertraulichkeit:
    »Höre, Jaschup, mein Kind, was ich dich fragen will, da es mir das Herz besorgt macht um des Viehes willen und des Gedeihens der Herden! Es waren die Frühregen angenehm und fielen, bevor noch der Winter kam, und war kein Platzen der Wolken, das den Acker verschwemmt und nur die Brunnen der Unsteten füllt, sondern ein sanftes Rieseln, wohltätig dem Felde. Aber der Winter war dürr, und es wollte das Meer die Luft seiner Milde nicht schicken, sondern die Winde gingen von Steppe und Wüste, und der Himmel war klar, dem Auge erfreulich, aber eine Besorgnis dem Herzen. Wehe, wenn auch die Spätregen verzögen und ausblieben, denn es wäre geschehen um die Ernte des Landmannes und um die Saaten des Ackerbauers, und das Kraut verdorrte vor seiner Zeit, so daß das Vieh nicht fände, was es fräße, und die Euter der Mütter hingen schlaff. Sage mir doch das Kind einmal, was es von Wind und Wetter hält und den Aussichten des Wetters, und wie ihm zu Sinne ist, die Frage betreffend, ob die Spätregen noch einsetzen werden beizeiten.«
    Damit beugte er sich noch tiefer über den Sohn, wandte dabei das Gesicht ab und hielt das Ohr über seinen Kopf.
    »Du lauschest über mir«, sagte Joseph, obgleich er es nicht sah, »und das Kind lauscht weiter hin, in das Äußere und in das Innere, und überbringt deinem Lauschen Kunde und Nachricht. Denn es ist ein Tropfen in meinem Ohr von den Zweigen und ein Rieseln über den Gebreiten, obgleich der Mond überklar ist und der Wind geht von Gilead. Denn dies Rauschen ist nicht jetzt in der Zeit, aber nahe in der Zeit, und meine Nase riecht es mit Sicherheit, daß, ehe der Nissan-Mond abgenommen hat um ein Viertel, die Erde wird schwanger werden durch das Manneswasser des Himmels und wird dampfen und dünsten vor Lust, wie ich es rieche, und werden die Anger voll Schafe sein und die Auen dick stehen mit Korn, daß man jauchzet und singt. Ich hörte und lernte, daß ursprünglich die Erde vom Strome Tawi getränkt wurde, der von Babel ausging und sie in vierzig Jahren einmal wässerte. Aber dann bestimmte der Herr, daß sie vom Himmel getränkt werden sollte, aus vier Gründen, von denen einer war, daß aller Augen emporschauen sollten. So werden wir aufblicken mit Dank zum Himmel des Sitzes, in dem die Wettervorrichtungen und die Kammern der Wirbelwinde und Ungewitter sich befinden, wie ich sie im Traume sah, als ich gestern schlummerte unter dem Baum der Unterweisung. Denn ein Cherubu, der sich Jophiel nannte, hatte mich freundlicherweise dorthin geführt an der Hand, damit ich mich umsähe und etwas Einblick nähme. Und ich sah die Höhlen voll Dampf, deren Türen aus Feuer waren, und sah die Geschäftigkeit der Handlanger. Und hörte sie untereinander sagen: Befehl ist ergangen in Hinsicht auf das Feste und auf den Wolkenhimmel. Siehe, es herrscht Dürre über dem Westlande und Trockenheit über der Ebene und den Weiden der Hochfläche. Vorkehrungen sind zu treffen, daß es baldigst regne über das Land der Amoriter, Ammoniter und Pheresiter, der Midianiter, Heviter und Jehbusiter, namentlich aber über die Gegend der Stätte Hebron auf der Höhe der Wasserscheide, woselbst mein Sohn Jaakob, betitelt Jisrael, seine zahllosen Herden weidet! Dies träumte mir mit einer Lebhaftigkeit, die ihrer nicht spotten läßt, und da es überdies unter dem Baume war, so kann mein Herr getrost und sicher sein in betreff der Tränkung.«
    »Gepriesen seien Elohim«, sagte der Alte. »Wir wollen jedenfalls noch Schlachtvieh auslesen zum Brandopfer und ein Mahl halten vor Ihnen und die Eingeweide mit Weihrauch und Honig verbrennen, damit sich bewahrheite, was du sagst. Denn ich fürchte, die Städter und Leute des Landes möchten sonst alles verderben, indem sie es auf ihre Art treiben und eine Wüstheit ansagen zu Ehren der Baalat und ein Paarungsfest mit Cymbeln und Geschrei um der Fruchtbarkeit willen. Es ist schön, daß mein Knabe gesegnet ist mit Träumen; das macht, weil er mein Erstgeborener ist von der Rechten und Liebsten.

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