Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
geschah wieder, und es schieden sich die Völker. Auf den Weiden Lots blieben nicht beieinander, die er im eigenen Fleische gezeugt, Moab und Ammon, sondern hing dieser der Wüste an und dem Leben der Wüste. Aber auf Isaaks Weiden blieb nicht Esau, sondern zog fort mit Weibern, Söhnen und Töchtern und den Seelen seines Hauses und mit Habe und Vieh in ein anderes Land und ward Edom auf dem Gebirge Seïr. Und was nicht Edom ward, das war Jisrael, und ist ein besonderes Volk, ungleich den Streifenden vom Lande Sinai und lumpigen Räubern vom Lande Arabaja, aber ungleich ebenfalls den Leuten von Kanaan, ungleich den Bauern des Ackers und den Städtern in den Burgen, sondern Herren und Hirten und Freie, die ihre Herden treiben zwischenein und ihre Brunnen hüten und des Herrn gedenken.«
»Und der Herr gedenkt unser und unsrer Besonderheit«, rief Joseph, indem er den Kopf zurückwarf und die Arme ausbreitete in des Vaters Arm. »Des ist des Kindes Herz Jubels voll im Arme des Vaters, es ist entzückt von dem Wohlbekannten und von getauschter Erbauung trunken! Kennst du den süßesten Traum, den ich träume vieltausendmal? Es ist der vom Vorrang und von der Kindschaft. Denn dem Gotteskinde wird vieles beschieden sein, was er beginnt, das soll ihm glücken, er wird Gnade finden in den Augen aller, und die Könige werden ihn loben. Siehe, ich habe Lust zu singen dem Herrn der Heerscharen mit flinker Zunge, flink wie der Griffel des Schreibers! Denn sie sandten mir nach ihren Haß und haben Fangstricke gelegt meinen Schritten, sie gruben ein Grab vor meinen Füßen und stießen mein Leben in die Grube, daß mir zur Wohnung wurde die Finsternis. Aber ich rief seinen Namen aus der Finsternis der Grube, da heilte er mich und hat mich entrissen der Unterwelt. Er machte mich groß unter den Fremden, und ein Volk, das ich nicht kannte, dient mir auf der Stirne. Die Söhne der Fremden sagen mir Schmeicheleien, denn sie würden dahinschmachten ohne mich ...«
Seine Brust ging gewaltsam. Jaakob betrachtete ihn mit großen Augen.
»Joseph, was siehst du?« fragte er beunruhigt. »Das Kind redet eindrucksvoll, aber nicht dem Verstande gemäß. Denn was will es sagen, daß das Ausland ihm dient auf dem Angesicht?«
»Das war nur schöne Rede«, antwortete Joseph, »die ich machte, um dem Herrn ein Großes zu sagen. Und es ist der Mond, der mich etwas berückt.«
»Hüte Herz und Sinn und sei klug!« sagte Jaakob mit Innigkeit. »So wird es dir gehen, wie du gesagt hast, daß du wirst Wohlgefallen finden in den Augen aller. Und ich habe vor, dir etwas zu schenken, darüber dein Herz sich freuen und das dich kleiden wird. Denn Gott hat Huld vergossen auf deine Lippen, und ich bete, daß er dich heilige für ewig, mein Lamm!«
Der Mond, schimmernd von reinem Licht, das seine Stofflichkeit verklärte, hatte die hohe Reise fortgesetzt, während sie sprachen, der Sterne Ort sich still gewandelt nach dem Gesetz ihrer Stunde. Die Nacht wob Friede, Geheimnis und Zukunft weit hinaus. Der Alte saß noch eine Weile mit Rahels Knaben am Brunnenrand. Er nannte ihn Damu, »Kindlein«, und Dumuzi, »Wahrhafter Sohn«, wie die Leute von Sinear den Tammuz nannten. Auch Nezer nannte er ihn mit einem Wort aus der Sprache Kanaans, das »Sproß« und »blühendes Reis« bedeutet, und tat ihm schön. Als sie die Wohnungen aufsuchten, riet er ihm dringlich, sich nicht zu rühmen vor den Brüdern und es nicht anzuzeigen den Lea-Söhnen und den Söhnen der Mägde, daß der Vater so lange mit ihm verweilt und vertrauliche Worte mit ihm getauscht; und Joseph versprach es auch. Aber am nächsten Tage schon sagte er ihnen nicht nur dies, sondern auch von dem Wettertraum plapperte er ohne Besinnen vor ihnen, und es verdroß sie alle um so mehr, als der Traum sich erfüllte; denn die Spätregen waren reichlich und angenehm.
ZWEITES HAUPTSTÜCK
JAAKOB UND ESAU
Mondgrammatik
In dem »Schönen« Gespräch, das zu belauschen wir Gelegenheit hatten, jenem abendlichen Wechselgesang zwischen Jaakob und seinem fehlhaften Liebling am Brunnen, hatte der Alte beiläufig auch des Eliezer Erwähnung getan, der dem Ahnen während seines und seines Anhanges Aufenthalt in Damaschki von einer Sklavin geboren worden sei. Nichts ist klarer, als daß er mit diesem Eliezer nicht denjenigen gemeint haben konnte, der – ein gelehrter Greis und freilich ebenfalls der freigelassene Sohn einer Sklavin, wahrscheinlich sogar ein Halbbruder Jaakobs – auf dessen eigenem Hofe lebte,
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