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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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möglichst vom Leibe hielt, ihn kaum vor sich ließ und Mittelspersonen einschob zum Kammerdienst zwischen sich und ihn: Ausgewachsene, die erstens ihrer Statur wegen besser dazu taugten, dem Fleischesturm Schmuck und Gewandstücke anzulegen, während Dûdu sich dazu auf eine Leiter hätte stellen müssen, zweitens aber, eben ihrer Vollwüchsigkeit wegen, weniger Gewicht legten auf gewisse natürliche Gaben und Sonnenkräfte und ein geringeres Würdenwesen daraus machten als Dûdu, dem sie zu lebenslanger Überraschung und gewichtig unterscheidendem Stolz gereichten.
    Daher wurde es dem Stummel gar nicht leicht, auf dem Seitenwege, den einzuschlagen er nach so fleißigem Hin- und Hergehen zwischen Jungmeier und Herrin endlich für gut fand, zum Ziel zu gelangen, nämlich zum Herrn, um ihm ein Licht aufzustecken: Es gelang ihm durchaus nicht gleich nach jenem Zank mit dem Spottwezir vorm verhängten Salon, und nicht tage-, nein, wochenlang mußte er anstehen, sich vormelden, um Gehör einkommen, – mußte er, der Vorsteher, die Kammersklaven schmieren oder sie auch bedrohen, er werde ihnen dies und das Schmuck- oder Kleidungsstück einfach nicht ausfolgen und es nicht aus dem Verschlusse lassen, so daß sie beim Herrn in Not und Verdruß geraten müßten, wenn sie ihn nicht wiederholt und dringlich benachrichtigten, daß Dûdu vor ihm reden wolle und müsse in schwerwiegender häuslicher Sache; – ganze Mondviertel lang also mußte er sich solcher Art mühen, bitten, stampfen und intrigieren, ehe er eine Gunst erreichte, auf die er um so heftiger brannte, als er vermeinte, diesmal erreicht und genützt werde sie ihm nie wieder Schwierigkeit machen, weil nämlich ein solcher Dienst, wie er dem Herrn zu leisten vorhatte, ihm dessen Liebe und Gnade eintragen müsse für immer.
    Endlich denn hatte der Wackere zwei Badesklaven mit Geschenken zu dem Ende geschmeidig gemacht, daß sie bei jedem Kruge Wassers, den sie dem schnaubenden Herrn über Brust und Rücken gossen, abwechselnd den Spruch sprachen: »Herr, gedenke des Dûdu!« und diese Mahnung auch dann noch wiederholten, als der triefende Fleischesturm aus dem eingelassenen Becken auf die Kalksteinplatten des Fußbodens trat, um sich trocknen zu lassen mit parfümierten Tüchern, – auch dabei noch sprachen sie umschichtig: »Gedenke doch, Herr, des harrenden Dûdu!«, bis er angewidert befahl: »Er komme und rede!« Da machten sie den Knet- und Salbsklaven, die im Schlafzimmer warteten und ebenfalls geschmeidigt waren, ein Zeichen, und diese ließen den Zwerg aus der Westhalle, wo er vor Ungeduld hatte vergehen wollen, ins Zimmer der Bettnische ein: Hoch hob er die flachen Händchen gegen die Knetbank, wo Pharao’s Freund sich hinstreckte, um sein Fleisch unter die Hände der Knechte zu geben, und ließ das Zwergenhaupt zwischen den erhobenen Ärmchen demütiglich schräge hängen, einer Silbe gewärtig von Peteprê’s Mund oder eines Blicks seines Auges; doch kam weder eins noch das andere, denn der Kämmerer ächzte nur leise unter den mutigen Griffen der Diener, die ihm Schultern, Hüften und Schenkel, die dicken Frauenarme, die fette Brust mit Nardenöl walkten, und wandte sogar noch den kleinen und edlen Kopf, der auf der Masse saß, auf dem Lederkissen zur anderen Seite hinweg von Dûdu’s Begrüßung, – höchst kränkend für diesen; doch durfte er sich um seiner hoffnungsreichen Sache willen nicht niederschlagen und sich den Mut nicht rauben lassen.
    »Zehntausend Jahre über dein Schicksalsende«, sprach er, »der du an der Spitze der Menschen bist, Kämpfer des Herrschers! Vier Krüge für deine Eingeweide und deiner Dauergestalt einen Sarg aus Alabaster!«
    »Danke«, erwiderte Peteprê. Er sagte es auf babylonisch, wie wenn unsereiner »merci« sagte, und setzte hinzu: »Will der da lange reden?«
    »Der da« war bitter. Aber Dûdu’s Sache war gar zu hoffnungsreich; er ließ den Mut nicht sinken.
    »Nicht lange, Herr, unsre Sonne«, gab er zur Antwort. »Vielmehr gedrängt und körnig.«
    Und auf ein Zeichen von Peteprê’s kleiner Hand stellte er einen Fuß vor, legte die Stummelärmchen auf den Rücken und begann, die Unterlippe eingezogen, die obere würdig als Dach darüber gestellt, seinen Vortrag, von dem er wohl wußte, daß er ihn nicht im Beisein der beiden Salbknechte werde zu Ende führen müssen, sondern daß Peteprê ihnen gar bald von sich aus den Laufpaß geben werde, um ihn insgeheim zu hören.
    Wie er seine Rede anlegte, hätte

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