Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
seinetwillen in Hinsicht auf Ordnung und Wohlfahrt des Hauses, an dessen Spitze er kraft ihrer gelangt sei.
»Was kaudert der da?« sagte Peteprê mit leichter Kopfhebung und -wendung gleichsam zu den Walkenden. »Die Eigenschaften des Vorstehers bedrohen des Hauses Ordnung?«
»Kaudern« war ebenso bitter wie das wiederholte »Der da«. Aber der Zwerg ließ sich nicht beirren.
»Sie brauchten es«, versetzte er, »unter anderen Umständen als den leider bestehenden keineswegs zu tun, sondern könnten dem Hause zu reinem Segen gereichen, wenn ihnen jene Einhegung und gesetzliche Befriedung zuteil würde oder, viel besser, schon früher zuteil geworden wäre, deren solche Eigenschaften – also eine einladende Visage, Schlauheit und Redezauber – bedürfen, sollen sie nicht Unruhe, Gärung, Zerrüttung in ihrem Umkreise verbreiten.« Und Dûdu beklagte es, daß der Jüngling-Hausvorsteher, dessen religiöse Bewandtnisse freilich überhaupt undurchsichtig seien, davon Abstand nehme, der Majestät des Min den schuldigen Tribut zu leisten, daß er in seinem hohen Amte sich unvermählt halte, sich nicht herbeilasse, eine seiner Herkunft entsprechende Bettverbindung – etwa mit der babylonischen Sklavin Ischtar-ummi vom Frauenhause – einzugehen und den Hof mit Kindern zu mehren. Das sei schade und schlimm; es sei bedenklich; es sei gefährlich. Denn nicht allein, daß der Stattlichkeit dadurch Abtrag geschähe, werde auch das obere Beispiel der Regsamkeit und Ordnung damit versäumt, namentlich aber, drittens, entbehrten auf diese Weise jene verführenden Eigenschaften, die niemand dem Jungmeier abstreite, der Einfriedung und wohltuenden Vergleichgültigung, deren sie so sehr bedürften – und schon längst bedurft hätten –, um nicht zündelnd, Köpfe verdrehend, sinnverstörend, kurz: Unheil stiftend in die Runde und nicht nur in die ebene Runde, sondern hoch über sie hinaus ins Erhabene zu wirken.
Pause. Peteprê ließ sich walken und antwortete nicht. Entweder – oder! erklärte Dûdu. Ein Jüngling dieser Art sollte entweder unter die Haube gebracht sein, damit seine Eigenschaften nicht wild und verderblich herumzündeln könnten, sondern im Ehehafen gefriedet und vergleichgültigt seien gegen die Welt – oder aber es wäre besser, man ließe das Schermesser walten und führe mit diesem die heilsame Vergleichgültigung herbei, um höchste Personen vor Ruhestörung und vor der Verkehrung ihrer Ehre und Würde ins Gegenteil zu bewahren.
Wieder ein Stillschweigen. Peteprê drehte sich plötzlich auf den Rücken, so daß die Masseure, die mit diesem beschäftigt gewesen, einen Augenblick ratlos standen, die Hände in der Luft, und hob den Kopf gegen den Zwerg. Er maß ihn von oben bis unten und wieder hinauf, ein kurzer Weg nur für seine Augen, und blickte flüchtig hinüber zu einem Sessel, auf dem seine Kleider, seine Sandalen, sein Wedel und anderes Handgerät lagen. Dann wälzte er sich wieder herum, die Stirn in den Armen.
Ein Ärger, der die Kälte des Grauens hatte, eine Art von empörtem Schrecken über die Bedrohung seiner Ruhe durch den widrigen Dreikäsehoch erfüllte ihn. Offenbar wußte diese eitle Mißgeburt etwas und wollte es ihm beibringen, was, wenn es die Wahrheit war, allerdings auch ihm, Peteprê, zu wissen nottat, was ihn aber wissen zu lassen er gleichwohl als grobe Lieblosigkeit empfand. »Hat’s gute Ordnung im Hause? Kein Zwischenfall? Die Herrin ist heiter?« Darum handelte sich’s offenbar, und offenbar wollte einer ihm, sogar ungefragt, eine widrige Antwort drauf geben. Er haßte ihn, – vor allem einmal ihn; sonst war er eigentlich niemanden zu hassen bereit, – die Wahrheitsfrage noch ganz dahingestellt. Er sollte nun also die Walkknechte fortschicken und mit dem mannhaften Ehrenwächter da unter vier Augen bleiben, um sich von ihm die Ehre aufhetzen zu lassen, sei es durch Wahres, sei es durch leere Verleumdungen. Die Ehre: man muß nur bedenken, was das ist in dem Zusammenhang, um den es hier zweifellos ging. Es ist die Geschlechtsehre, die Ehre des Ehegockels, welche darin besteht, daß dem Gatten das Eheweib treu sei, zum Zeichen, er sei ein Prachtgockel, der es an nichts fehlen lasse und bei dem sie so schönes Genüge finde, daß sie auf den Gedanken, es mit einem andern zu halten, überhaupt nicht verfalle und keines Dritten Bewerbung für die Bestversehene auch nur eine Versuchung bilde. Geschieht dies dennoch, und treibt sie’s mit einem anderen, so ist es das
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