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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sagte Peteprê vornehm. »Und woher drohen mir diese schlimmen Dinge?«
    »Ich ging«, erwiderte Dûdu, »in der Andeutung der Gefahrenquelle bereits bis zur Unmißverständlichkeit. Nur die Furcht, zu verstehen, würde es erklären, wenn du mich nicht verstanden hättest.«
    »In wie übler Lage ich bin«, entgegnete Peteprê, »zeigt mir deine Unverschämtheit. Sie entspricht offenbar meinem Elend, und es bleibt mir nichts übrig, als den Treueifer zu loben, aus dem sie erfließt. Ich gebe zu, daß meine Furcht, zu verstehen, unüberwindlich ist. Hilf mir über sie hinweg, mein Freund, und sage mir die Wahrheit so unumwunden, daß meine Furcht jeder Möglichkeit beraubt ist, sich vor ihr zu verstecken!«
    »Gut denn«, erwiderte der Zwerg, indem er, statt des einen, das andere Beinchen vorstellte und die Faust in die Hüfte stemmte. »Deine Lage ist die, daß die ungefriedet wild herumzündelnden Eigenschaften des Jungmeiers Osarsiph im Busen der Herrin Mut-em-enet, deiner Gemahlin, einen Brand entfacht haben und die Flammen schon mit Rauch und Geprassel am Gebälk deiner Ehre lecken, welches nahe daran ist, zusammenzustürzen und auch dein Leben unter sich zu begraben.«
    Peteprê zog das Leintuch, das ihn bedeckte, höher hinauf, über Kinn und Mund, bis zur Nase.
    »Du willst sagen«, fragte er unter dem Tuch, »daß Herrin und Jungmeier nicht nur ihre Augen aufeinander geworfen haben, sondern mir auch nach dem Leben trachten?«
    »Allerdings!« erwiderte der Zwerg und wechselte mit kräftigem Stoße die Hüftfaust. »Das ist die Lage, in die ein Mann geraten ist, der eben noch so groß dastand wie du.«
    »Und welchen Beweis«, fragte der Oberst gedämpft, indem er mit dem Munde das Laken bewegte, »hast du für eine so furchtbare Anklage?«
    »Meine Wachsamkeit«, gab Dûdu zur Antwort, »meine Augen und Ohren, die Schärfe, welche der Eifer für des Hauses Ehre meiner Beobachtung verlieh, mögen dir Zeugen sein, bedauernswerter Herr, für die leidige und gräßliche Wahrheit meiner Eröffnung. Wer kann sagen, welches von den beiden – denn so muß man nun von diesen dem Range nach so unendlich verschiedenen Personen sprechen: ›Die beiden‹ muß man sagen –, wer von ihnen zuerst seine Augen auf den anderen geworfen? Ihre Augen sind sich begegnet und sind verbrecherisch ineinander gesunken, da hast du’s. Wir müssen uns klar darüber sein, großer Herr, daß Mut-im-Wüstental eine betteinsame Frau ist; und was den Meier betrifft, nun, so zündelt er eben herum. Welcher Knecht ließe sich zweimal winken von einer solchen Herrin? Das würde eine Liebe und Treue voraussetzen zum Herrn der Herrin, die sich offenbar nicht im höchsten Meieramt, sondern nur an nächstoberen Vorsteherstellen findet ... Schuld? Was frommte die Nachforschung, wer zuerst seine Augen erhob gegen den anderen und in wessen Sinnen die Untat keimte zuerst? Die Schuld des Meierjünglings besteht nicht erst in dem, was er tat, sondern in seinem Vorhandensein schon besteht sie und seinem So-Vorhandensein hier im Hause, wo seine Eigenschaften frei herumzündeln, gefriedet weder durchs Ehebett noch durch das Schermesser; und wenn die Herrin für den Diener entbrennt, so kommt’s auf sein Dasein und auf sein Haupt und ist für seine Schuld dasselbe, als habe er einen unzüchtigen Überfall auf die Reine getan – danach ist er zu behandeln. So aber steht es nun und ist leider an dem: sie sind im üppigsten Einvernehmen. Süße Billetts, die ich selber eingesehen, so daß ich für ihre Schwülheit zeugen kann, nehmen ihren Weg zwischen ihnen. Unter dem Vorwand der Wirtschaftsbesprechung treffen sie einander bald da, bald dort: im Frauensalon, wo die Herrin dem Knechte zulieb ein Bild des Horachte aufgestellt, im Garten und im Häuschen der Aufschüttung dort, ja selbst im Eigengemach der Herrin in deinem Hause hier, – an all diesen Orten kommt das Pärchen heimlich zusammen, und schon längst ist zwischen ihnen nicht mehr von ehrbaren Dingen die Rede, sondern ist eitel Gezüngel, Gegirr und heißes Gelispel. Wie weit sie allenfalls schon darin gediehen, und ob’s schon an dem ist, daß sie bereits der eine des anderen Fleisch und Blut genossen haben, so daß es für die Vorbeugung zu spät wäre und nur noch die Rache bliebe, das kann ich mit voller und unbedingter Gewißheit nicht sagen. Was ich aber auf mein Haupt nehmen kann vor jedem Gott und vor dir, erniedrigter Herr, als gewisse Wahrheit, weil ich’s mit eigenem Ohr am Spalte

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