Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
»Steht alles wohl? Kein Zwischenfall?«, war seine unterschwellige Besorgnis gewesen, das Fleisch möchte unterdessen irgendwie Herr geworden sein über den schonend sichernden, doch unzuverlässigen Geistesbann, in dem das Haus ruhte, und irgendwelche greuliche Verstörung erzeugt haben. Das kalte Grauen aber war mit Ärger gepaart, denn mußte er’s wissen, und konnte man ihn nicht trotzdem in Ruhe lassen? Wenn jene beiden Geweihten hinter seinem Rücken vom Fleisch waren überwältigt worden und Heimlichkeiten vor ihm hatten, so lag gerade in der Heimlichkeit, im Betruge, immer noch schonende Liebe genug, die er ihnen zu danken bereit war. Dagegen war er unaussprechlich schlecht zu sprechen auf den Wicht da und Wichtigtuer, der ihm unerbetenes Wissen aufdringen und einen gemeinen Angriff auf seine Ruhe unternehmen wollte als überhebliches Ehrenmännchen.
»Seid ihr bald fertig?« fragte er. Es galt den Walkknechten, die er wegschicken mußte und nicht gern wegschickte, weil die Nötigung dazu von dem petzenden Kujon ausging, aber entfernen mußte er sie. Es waren zwar strohdumme Männer, ja, sie hatten die Dummheit geradezu bewußt in sich großgezogen, damit das Maß derselben recht sprichwörtlich mit ihrem derben Beruf übereinstimme und sie wirklich so dumm seien wie Walkknechte. Aber wenn sie auch bis jetzt bestimmt nichts verstanden hatten und auch künftig nicht leicht etwas verstehen würden, so konnte Peteprê doch nicht umhin, dem schweigenden Verlangen seines Belästigers zu weichen und unter vier Augen mit ihm zu bleiben. Desto schlechter war er auf ihn zu sprechen.
»Ihr geht nicht, bevor ihr fertig seid«, sagte er, »und sputet euch nicht besonders. Aber seid ihr fertig, so gebt mir mein Leintuch und macht allmählich, daß ihr davonkommt.«
Sie hätten nie und nimmer verstanden, daß sie gehen sollten, auch ohne fertig zu sein. Aber da sie tatsächlich fertig waren, so breiteten sie das Leilach über die Fleischesmasse des Herrn bis zum Halse, warfen sich auf die nur zwei Finger breiten Stirnen und trollten sich, die Ellenbogen gespreizt, in einer Art von gleichmäßigem Wackeltrott, der allein schon ihre gewollte und vollständige Dummheit überzeugend veranschaulichte.
»Tritt näher, mein Freund!« sagte der Kämmerer. »Tritt so nahe du willst und es dich gut dünkt für das, was du mich wissen zu lassen wünschest, denn es scheint etwas zu sein, wobei es nicht ratsam wäre für dich, fern von mir zu stehen, so daß du schreien müßtest, – eine Sache vielmehr, die uns einander zu gedämpfter Vertraulichkeit nahebringt, was ich ihr zum Vorzug anrechne, wie immer sie sonst beschaffen sei. Du bist mir ein wertvoller Diener, klein zwar, weit unter Mittelmaß und in diesem Betracht eine närrische Kreatur, hast aber Würde und Schwergewicht und verfügst über Eigenschaften, die es rechtfertigen, daß du über dein Kammeramt hinaus ein Auge hast aufs Ganze des Hauses und dich zum Meister aufwirfst seiner Fruchtbarkeitsordnung. Nicht, daß ich mich erinnerte, dich dazu eingesetzt und dich mit diesem Amte bestallt zu haben – das nicht. Aber ich bestätige dich nachträglich darin, denn ich kann nicht umhin, deinen Beruf dazu anzuerkennen. Wenn ich recht verstand, treiben dich Liebe und Pflicht, mir von dem Gebiet deiner Buchführung und Aufsicht beunruhigende Wahrnehmungen, Vorkommnisse zündelnder Unordnung zu melden?«
»Allerdings!« erwiderte Josephs Widersacher mit Nachdruck auf diese Anrede, deren kränkende Einschläge er um ihres sonst ermutigenden Charakters willen hinunterschluckte. »Sorgende Dienertreue führt mich vor dein Angesicht, um dich, Herr, unsre Sonne, vor einer Gefahr zu warnen, die es ihrer Dringlichkeit wegen wert gewesen wäre, daß du mich meinen Bitten gemäß schon früher vor dich gelassen hättest, denn gar leicht, ja, jeden Augenblick kann es mit der Warnung zu spät werden.«
»Du erschreckst mich.«
»Das tut mir leid. Doch ist’s ja auch wieder geradezu meine Absicht, dich zu erschrecken, denn die Gefahr ist überaus drohend, und bei allem Scharfsinn, den ich aufwandte, vermag dein Diener nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob es nicht schon zu spät und deine Schimpfierung nicht bereits eine vollzogene Tatsache ist. In diesem möglichen Fall wäre es nur insoweit noch nicht zu spät, als du noch am Leben bist.«
»Droht mir der Tod?«
»Beides, Schande und Tod.«
»Ich würde das eine willkommen heißen, wenn ich das andere nicht vermeiden könnte«,
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