Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
haben ... Machte es ihm auch wohl, so ernst und gefährlich die Lage war, Vergnügen, mit der Herrin unter vier Augen auf dem »Mein-Kind«-Fuße zu verkehren, wozu ihre Leidenschaft und Verlorenheit ihn berechtigte? Eine banale Mutmaßung, die aber ganz bestimmt neben frömmeren, tiefer träumerischen Erklärungen seines Verhaltens ihre Berechtigung hat: dem hochverspielten und tief erregenden Gedanken nämlich seiner Verstorbenheit und Vergöttlichung als Usarsiph und des heiligen Bereitschaftsstandes, der dazu gehörte, und über dem freilich auch wieder der Fluch der Eselhaftigkeit schwebte.
Genug denn, er ging zur Herrin. Er hielt bei ihr aus. Er litt es, daß sie solche Worte immerfort gegen ihn trieb und ihm anlag: »Schlafe bei mir!« Er litt es, sagen wir, denn ein Spaß und eine Kleinigkeit war es nicht, bei der furchtbar Begehrenden auszuharren, ihr gütlich zuzureden und seinerseits immer die sieben Gegengründe in voller Kraft sich gegenwärtig zu halten zur Abwehr ihres Verlangens, dem doch aus der eigenen göttlichen Todesverfassung so manches entgegenkam. Wahrlich, man ist geneigt, dem Sohne Jaakobs die weniger löblichen Beweggründe seines Verhaltens nachzusehen, wenn man bedenkt, welche Not er hatte mit der Unseligen, die es täglich dermaßen gegen ihn trieb, daß er augenblicksweise den Gilgamesch verstand, welcher schließlich der Ischtar das ausgerissene Glied des Stieres ins Gesicht geworfen hatte vor Wut und Bedrängnis.
Denn die Frau artete aus und wurde immer weniger wählerisch in ihren Mitteln, ihn zu bestürmen, daß sie Häupter und Füße zusammentäten. Auf den Vorschlag, den Herrn aus dem Hause zu morden, damit sie alsdann als Herrin und Liebesherr in schönen Kleidern und unter Blumen ein Wonneleben darin führen könnten, kam sie allerdings nicht zurück, weil sie wohl sah, daß diese Idee ihm ganz und gar widerwärtig war und fürchten mußte, ihn sich durch ihre Wiederholung unheilbar zu entfremden. Ihr trunken getrübter Zustand hinderte sie denn doch nicht, einzusehen, daß er mit seiner entschiedenen Weigerung, diesem wilden Gedanken näher zu treten, in natürlichem und einleuchtendem Rechte war und sich unbedingt sehen lassen konnte mit der empörten Zurückweisung eines Ansinnens, das zu erneuern bei genesener Zunge, die nicht mehr kindlich lispelte, selbst ihr, der Frau, große Schwierigkeiten gemacht haben würde. Aber mit dem Beweisgrund, es habe gar keinen Sinn, daß er sich ihr versage, das Geheimnis hätten sie doch miteinander und könnten es ebensogut gleich selig vollstrecken, setzte sie ihm wieder und wieder zu, sowie mit der Verheißung unaussprechlicher Wonnen, die er finden werde in ihren Liebesarmen, da sie alles für ihn allein aufgespart habe; und da er auf so süße Werbungen nur immer erklärte: »Mein Kind, wir dürfen nicht«, ging sie dazu über, ihn mit Zweifeln an seiner Männlichkeit zu reizen.
Nicht daß sie dieselben sonderlich ernst nahm – das war nicht gut möglich. Aber ein gewisses formelles und vernünftiges Recht gab ihr sein Verhalten zu solchem Hohne. Joseph konnte mit den sieben Gründen nicht recht herausgehen; das meiste davon wäre ihr unverständlich gewesen; und was er statt dessen vorbrachte, mußte sie hausbacken und schwächlich, ja geradezu als gesuchte Ausrede anmuten. Was sollte ihre Not und Leidenschaft anfangen mit dem Sittenspruch, den er ein für allemal, falls möglicherweise dies Geschehen zu einer Geschichte würde, zur Antwort gegeben haben wollte für der Leute Mund: daß nämlich sein Herr ihm alles anvertraut und ihm nichts verhohlen habe im Hause, ohne sie, indem sie sein Weib sei, und daß er also kein solches Übel tun wolle und mit ihr sündigen? Das war ja fadenscheiniges Zeug, nicht stichhaltig für ihre Not und Leidenschaft, und selbst wenn sie sich in einer Geschichte befanden, so hielt Mut-em-enet sich überzeugt, daß alle Welt es allezeit gerechtfertigt finden werde, wenn solch ein Paar, wie sie und Joseph, ungeachtet des Truppenobersten und Ehrengatten Häupter und Füße zusammentäte, und daß ein jeder daran viel mehr Gefallen finden werde, als an dem Sittenspruch.
Was sagte er sonst? Er sagte etwa:
»Du willst, daß ich zu dir komme bei der Nacht und nahe bei dir schlafe. Aber gerade bei Nacht hat unser Gott, den du nicht kennst, sich meistens den Vätern offenbart. Wollte er sich nun mir offenbaren in der Nacht und fände mich so – was würde aus mir?«
Das war ja kindisch. Oder er
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