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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Füßchen und trieb es nicht anders als der Hahn in der Balz auf dem Baum, den es am Kragen hat und der sich blind und taub in selbstbefangenster Lockung dreht. Aber wie diesem erging es ihm auch, den der Jäger anspringt am Boden. Denn plötzlich, mit einem Satz, kam Peteprê, der Herr, unter dem Laken hervor auf seine Füße, ganz nackt, der Fleischesturm mit dem kleinen Haupt, – war mit einem zweiten Satz bei dem Sessel, auf dem seine Sachen lagen, und schwang seine Ehrenkeule. Wir sahen dies schmucke Stück und Kommandozeichen, oder ein ähnliches, schon in seiner Hand: den goldgelederten Rundstab, in einen Pinienzapfen auslaufend, mit goldenem Laube bekränzt, das Sinnbild der Macht und eigentlich auch wohl ein Lebensfetisch und Kultstück für Weiber. Dies schwang der Herr plötzlich und ließ es sausen auf Dûdu’s Schultern und Rücken und prügelte damit auf ihn ein, daß dem Zwerge aus anderen Gründen als vordem Hören und Sehen verging und er wie ein Ferkel kreischte.
    »Ai, ai!« schrie er, in die Hüfte knickend. »Au weh! Es schmerzt, ich sterbe, ich blute, die Knöchlein brechen, laß Gnade ergehn für den Treuen!« – Doch Gnade erging nicht, denn Peteprê – »Da, da! Da hast du’s, Gauch und Schandknirps, Erzkujon, der mir all seine Tücke gestanden!« – trieb ihn mit unerbittlichen Schlägen von Winkel zu Winkel im Bettgemach, bis der Getreue die Türe fand, die Beinchen auf seinen verbeulten Rücken nahm und das Weite gewann.
    Die Bedrohung
    Die Geschichte berichtet, daß Potiphars Weib »solche Worte« täglich gegen Joseph trieb und ihn ersuchte, daß er nahe bei ihr schliefe. – Er gab ihr also Gelegenheit dazu? Auch nach dem Tage der schmerzlichen Zunge mied er nicht ihre Nähe, sondern kam auch ferner noch an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Tageszeiten mit ihr zusammen? – So tat er. Er mußte wohl, denn sie war die Herrin, ein weiblicher Herr, und konnte ihn bestellen und zur Stelle befehlen wie sie wollte. Außerdem aber hatte er’s ihr versprochen, daß er sie nicht verlassen wolle in der Verstörung, sondern sie mit Worten trösten, wie er nur könne, weil er ihr’s schuldig sei. Er sah dies ein. Schuldbewußtsein band ihn an sie, und er gab zu in seinem Herzen, daß er’s frevelhaft dahin hatte kommen lassen, wohin es gekommen, und daß sein Heilsplan ein sträfliches Larifari gewesen war, dessen Folgen es nun zu bestehen und nach Möglichkeit zu beschwichtigen galt, so gefahrvoll und schwierig bis zur Aussichtslosigkeit sich diese Aufgabe auch mochte gestaltet haben. – Darf man es also loben, daß er der Heimgesuchten nicht seinen Anblick entzog, sondern sich »täglich«, oder setzen wir: fast täglich dem Atem des Feuerstiers darbot und fort und fort sich vermaß, einer der stärksten Versuchungen die Stirn zu bieten, die wohl je in der Welt einen Jüngling bestürmt haben? – Allenfalls, bedingtermaßen und zu einem Teil. Unter seinen Beweggründen befanden sich lobenswerte, man kann ihm das zugestehen. Lob verdienten das Schuld- und Schuldigkeitsgefühl, das ihn bewog; dazu die Tapferkeit, die ihn auf Gott und die sieben Gründe vertrauen ließ in dieser Not; auch, wenn man will, noch der Trotz, welcher begonnen hatte, sein Verhalten mit zu bestimmen und von ihm forderte, daß er die Kraft seiner Vernunft mit der Tollheit des Weibes messe: denn sie hatte ihm gedroht und sich anheischig gemacht, daß sie ihm den Kranz schon zerreißen wolle, den er von seines Gottes wegen trage, und ihn dafür mit dem ihren kränzen. Das fand er unverschämt, und wir sagen hier gleich, daß in diesem Sinne noch einiges hinzukam, ihn die Sache nachgerade als eine solche zwischen Gott und den Göttern Ägyptens empfinden zu lassen – ebenso wie ihr mit der Zeit der Ehrgeiz für Amun zu einem Motiv ihres Begehrens wurde oder von anderen gemacht wurde –; und so kann man verstehen, ja es billigen, daß er für unerlaubt hielt, sich zu drücken, und für notwendig, die Sache durchzustehen und es zu Ehren Gottes aufs letzte ankommen zu lassen.
    Alles gut. Aber so ganz ungemischt gut doch nicht, denn anderes war dabei, weshalb er ihr folgte, sie traf und zu ihr ging, und was man, wie er auch sehr wohl wußte, nicht loben konnte: Nenne man es Neugier und Leichtsinn, nenne man es die Abneigung, den Wahlfall des Bösen endgültig aufzugeben, den Wunsch, die Wahl zwischen Gut und Böse, wenn auch keineswegs in der Absicht, auf die Seite des Bösen zu fallen, noch eine Weile frei zu

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