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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sterben werde auf Grund ihrer Anklage, – malte es ihm aus mit tönender Sangesstimme zum Teil und teils auch wieder, nahe an seinem Ohr, in einem Raunen, das man für zärtliches Liebesgeflüster hätte halten können:
    »Hoffe nicht«, flüsterte sie, »daß man kurzen Prozeß mit dir machen wird, indem man dich vom Felsen stößt, oder dich in die Luft hängt, den Kopf nach unten, so daß dir das Blut alsbald ins Gehirn stürzt und du glimpflich verscheidest. So gnädig wird es nicht abgehen nach den Stockschlägen, womit man dir erst einmal den Rücken zerfleischt nach Peteprê's Spruch. Denn sein Herz wird einen Sandsturm hervorbringen wie das Gebirge des Ostens, wenn ich dich der Gewalttat zeihe, und seine hämische Wut ohne Grenzen sein. Gräßlich ist es, dem Krokodil anheimgegeben zu sein und wehrlos gebunden im Schilfe zu liegen, wenn der Fresser sich gierig naht und sich über dich wälzt mit nassem Bauch, sein Mahl bei den Schenkeln beginnend oder der Schulter, so daß deine wilden Schreie sich mit dem Ächzen seiner Freßlust vermischen, da doch niemand dich Preisgegebenen hört oder hören will. So geschah anderen, man vernahm es, ein oberflächliches Mitleid, ohne viel Rechenschaft, kam einen an, und so mochte es hingehen, da das eigene Fleisch nicht betroffen. Nun aber bist du es und ist dein Fleisch, an das der Fresser sich macht, da oder dort beginnend, – sei’s denn in vollem Selbst und enthalte dich des entmenschten Geschreis, das sich deiner Brust entreißt, – schreie nicht, Geliebter, nach mir, die dich küssen wollte dort, wohinein der Naßbauch die eklen Zähne schlägt! – Aber vielleicht werden die Küsse andere sein. Vielleicht streckt man dich Schönen rücklings auf den Boden hin, hält deine Hände und Füße fest mit ehernen Klammern und häuft brennbare Stoffe auf deinen Leib, die man entzündet, so daß unter Qualen, die keiner nennt, und die nur du allein für dein Teil unter atemlos bettelndem Jammern erfährst, da alle anderen ihnen nur zusehen, bei langsamer Flamme dein Fleisch verkohlt. – So mag es sein, Geliebter, aber vielleicht auch so, daß man dich lebend, zugleich mit zwei großen Hunden, in einer Grube verschließt, bedeckt mit Balken und Erde, und wiederum denkt niemand aus, auch du selbst nicht, solange nicht Wirklichkeit ist das Bevorstehende, was sich dort unter Tag mit der Zeit begeben wird zwischen euch dreien. – Weißt du aber auch von der Hallentür und ihrem Zapfen? Du wirst der Mann sein, auf meine Klage hin, der betet und laute Klageschreie erschallen läßt, weil in seinem Auge der Türzapfen steckt und die Tür sich in seinem Haupte dreht, jedesmal, wenn’s dem Rächer hindurchzugehen gefällt. – Dies sind nur einige der Strafen, die dir gewiß sind, wenn ich die Anschuldigung gegen dich ausstoße, wie ich im Fall meiner letzten Verzweiflung zu tun entschlossen bin; du aber wirst dich nicht weiß machen können vor meinem Schwur. Aus Mitleid mit dir selbst, Osarsiph, lasse mir deinen Kranz!«
    »Herrin und Freundin«, antwortete er ihr, »du hast recht, ich werde mich nicht weiß machen, wenn es dir gefällt, mich solcher Art anzuschwärzen vor meinem Herrn. Unter den Strafen aber, mit denen du mich bedrohst, wird Peteprê wählen müssen; er kann sie nicht alle über mich verhängen, sondern nur eine, was bereits eine Einschränkung bedeutet seiner Rache und meiner Leiden. Doch auch innerhalb dieser Einschränkung wird mein Leiden begrenzt sein durchs Menschenmögliche, und möge man diese Grenze eng nennen oder sehr weit, sie zu überschreiten vermag nicht das Leiden, denn es ist endlich. Lust und Leiden, beides malst du mir unermeßlich, aber du übertreibst, denn ziemlich bald stößt sich beides an den Grenzen des Menschenvermögens. Unermeßlich wäre einzig der Fehler zu nennen, den ich beginge, wenn ich’s mit Gott, dem Herrn, verdürbe, den du nicht kennst, so daß du nicht wissen kannst, was das ist, und was es besagen will: Gottverlassenheit. Darum, mein Kind, kann ich dir nicht nach Wunsch gefällig sein.«
    »Weh über deine Klugheit!« rief sie mit Sangesstimme. »Wehe darüber! Ich, ich bin nicht klug! Unklug bin ich vor unermeßlichem Verlangen nach deinem Fleisch und Blut, und ich werde tun, was ich sage! Die liebende Isis bin ich, und mein Blick ist Tod. Hüte, hüte dich, Osarsiph!«
    Die Damengesellschaft
    Ach, sie schien wohl großartig, unsere Mut, wenn sie vor ihm stand und ihn mit Glockenstimme bedrohte. Und dabei war sie

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