Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Grund seiner Ahnungen. Es war eine Heimkehr wie viele andere, bei denen er jedesmal Übles gewärtigt hatte in seinem Herzen, nur daß es diesmal denn also in der Tat so weit war. »Steht alles wohl im Hause? Die Herrin ist heiter?« – Das nun gerade nicht. Die Herrin sitzt tragisch auf deines Hauses Schwelle, und dein wohltuender Mundschenk liegt mit Handholz im Hundestall.
So, so, in dieser Gestalt also verwirklichte es sich. Nehmen wir es denn auf uns! – Daß Mut, sein Weib, irgendwie fürchterlich vor der Haustür saß, hatte er schon von ferne gesehen. Dennoch warf er beim Absteigen von seinem Galanteriegefährt die gewohnten Fragen hin, die aber diesmal unbeantwortet blieben. Die ihm behilflich waren, ließen die Köpfe hängen und schwiegen. So, so, das war ja genau, wie er’s immer einmal erwartet hatte, mochten sich andre Einzelheiten der Stunde auch wider Vermuten gestalten. – Wedel und Ehrenkeule in einer Hand, ging er, der zarte Rubenturm, während sein Gespann weggeführt wurde und die Leute Abstand wahrten im fackelerleuchteten Hofraum, die Stufen hinan zu der Kauernden.
»Was soll ich denken, liebe Freundin«, fragte er höflich behutsam, »von diesem Bilde? Du sitzest dünn gewandet an einem solchen Durchgangsort und hast etwas neben dir, worauf ich mich nicht verstehe?«
»So ist es!« antwortete sie. »Du beschreibst es zwar mit matten, unmächtigen Worten, denn viel gewaltiger und entsetzlicher ist dieses Bild, als du, mein Gemahl, es aussagst. Im Wesentlichen aber ist deine Feststellung richtig: Hier sitze ich und habe neben mir, worauf du dich schon gräßlich sollst verstehen lernen.«
»Sei mir behilflich dabei!« erwiderte er.
»Ich sitze hier«, sagte sie, »in Erwartung deines Gerichtes über den schaurigsten Frevel, den diese Länder jemals und wahrscheinlich je die Reiche der Völker gesehen.«
Er machte ein Übel abwehrendes Fingerzeichen und wartete gefaßt.
»Gekommen ist«, sang sie, »der ibrische Knecht, den du bei uns eingeführt hast, und wollte sein Spiel mit mir treiben. Ich habe zu dir gefleht in der Abendhalle und deine Knie umschlungen, daß du den Fremdling, den du hereingebracht, wieder verstießest, denn mir schwante nichts Gutes von ihm. Umsonst, zu teuer war dir der Sklave, und du ließest mich gehen ungetröstet. Nun ist der Verworfene über mich gekommen und wollte mir Lust antun in deinem leeren Hause, wozu er bereits in Mannesbereitschaft war. Du glaubst mir nicht und kannst den Greuel nicht fassen? So sieh dies Zeichen und deute dir’s wie du mußt! Stärker denn Wort ist das Zeichen; es ist nicht zu deuteln und zu zweifeln daran, denn es spricht die unverbrüchliche Sprache der Dinge. Sieh! Ist dies Kleid deines Sklaven Kleid? Prüfe es wohl, denn gereinigt bin ich vor dir durch dies Zeichen. Da ich schrie unter des Unholds Zudrang, so erschrak er und floh von mir hinaus, ich aber hielt ihn am Kleide, und vor Schreck ließ er’s in meiner Hand. Den Beweis seiner Greuelschuld – ich halte ihn dir vor Augen; den Beweis seiner Flucht dazu und den Beweis meines Schreiens. Denn floh er nicht, so hielte ich nicht das Kleid; wenn ich aber nicht schrie, so floh er nicht. Überdies ist all dein Hausvolk mir Zeuge, daß ich geschrieen – frage die Leute!«
Peteprê stand gebeugten Hauptes und schwieg. Dann seufzte er auf und sagte:
»Das ist eine tieftraurige Geschichte.«
»Traurig?« wiederholte sie drohend ...
»Ich sagte: tieftraurig«, erwiderte er. »Sie ist aber sogar entsetzlich, und ich würde mich nach einer noch schwereren Bezeichnung umsehen, wenn ich nicht deinen Worten entnehmen dürfte, daß sie dank deiner Geistesgegenwart und Gesetzeskenntnis noch glimpflich abgelaufen und es zum Äußersten nicht gekommen ist.«
»Für den Schandsklaven suchst du nach keiner Bezeichnung?«
»Er ist ein Schandsklave. Da es sich bei dem Ganzen um sein Benehmen handelt, so galt die Bezeichnung ›tieftraurig‹ natürlich in erster Linie diesem. Und gerade heute Abend, unter so vielen Abenden, muß dies Schrecknis mich treffen – am Abend des schönen Tages meiner Erhebung zum Einzigen Freunde, da ich nach Hause kehre, um Pharao’s Liebe und Gnade mit einer kleinen Geselligkeit zu feiern, zu der demnächst die Gäste erscheinen werden. Gib zu, daß das hart ist!«
»Peteprê! Hast du in deinem Leibe das Herz eines Menschen?«
»Warum diese Erkundigung?«
»Weil du in dieser namenlosen Stunde von deinem neuen Hoftitel sprechen magst und davon, wie du
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