Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
werden, ich stehe ein dafür, und sie sind so gut wie geleistet. Jetzt drängt die Stunde. Ich spreche Recht über dies Haus, das mein ist und spreche so.«
Er nahm, nachdem er dies mit erhobenen Händen gesagt, eine lässigere Haltung an in einer Ecke des Hohen Stuhles, stützte den Ellbogen auf und bewegte leichthin die kleine Hand über der Lehne, indem er fortfuhr:
»Der dichten Vorkehrungen ungeachtet, die dieses Haus dem Bösen entgegenstellt, der Undurchlässigkeit seiner übelabwehrenden Sprüche und guten Worte zum Trotz, ist es dem Leidwesen gelungen, darin einzudringen und den schönen Bann des Friedens und zarter Schonung, in dem es ruhte, vorübergehend zu brechen. Tieftraurig und entsetzlich ist das zu nennen, um so mehr, als gerade an dem Tage das Übel ruchbar werden muß, an dem Pharao’s Liebe und Huld mich mit dem Rang und herrlichen Titel eines Einzigen Freundes zu schmücken geruhte, und an dem also, so sollte man denken, lauter Artigkeit von seiten der Menschen und wohltuender Glückwunsch, nicht aber das Schrecknis wankender Ordnung mir begegnen dürfte. Sei dem wie immer! Lange schon hat das durch den Schutz gedrungene Leidwesen heimlich an der schönen Ordnung des Hauses genagt, damit sie einstürze und es geschehe wie drohend geschrieben steht, nämlich daß die Reichen arm, die Armen reich und die Tempel verödet seien. Lange schon, sage ich, fraß in der Stille das Übel, verborgen der Mehrzahl, aber nicht verborgen dem Auge des Herrn, welcher Vater und Mutter zugleich ist dem Hause, denn sein Blick ist wie der Mondesstrahl, der da schwängert die Kuh, und seines Wortes Hauch wie der Wind, der den Fruchtstaub trägt von Baum zu Baum zum Zeichen göttlicher Fruchtbarkeit. Da denn aber aus dem Schoß seiner Gegenwart alles Beginnen und Gedeihen quillt wie der Seim aus den Waben, so entgeht seiner Übersicht nichts, und sei es der Mehrzahl noch so verborgen – vor seinem Blicke liegts offen. Das erfahrt aus Anlaß dieser Verstörung! Denn ich kenne recht wohl die Sage, die meinem Namen folgt, nämlich, daß ich mich keiner Sache annehme auf Erden, außer etwa der Mahlzeit, die ich halte. Das aber ist nur ein Geplapper und geht daneben. Alles weiß ich, daß ihr es wißt; und wenn also die Furcht des Herrn und die Scheu vor seinem durchdringenden Auge neu verstärkt aus dieser Verstörung hervorgeht, über die ich richte, so wird man von ihr sagen, daß sie aller Tieftraurigkeit ungeachtet, ihre gute Seite gehabt hat.«
Er führte ein malachitnes Henkelfläschchen mit Wohlgeruch, das er an einem Kettchen über dem Halskragen trug, an seine Nase und fuhr, nachdem er sich daran erquickt, folgendermaßen fort:
»So waren mir die Wege längst bekannt, die das eingedrungene Leidwesen in diesem Hause ging. Aber auch die Wege derer lagen offen vor mir, die es beförderten in überheblicher Tücke und ihm aus Neid und Haß die Wege bereiteten – und nicht nur dies, sondern die ihm sogar erst den Einlaß und Durchschlupf verraten haben ins Haus durch alle guten Sprüche der Abwehr. Diese Verräter stehen vor meinem Stuhl in der zwergischen Person meines ehemaligen Schmuck- und Truhenbewahrers, Dûdu geheißen. Selber hat er mir all seine Bosheit bekennen müssen, wie er dem gierigen Übel Einlaß verschafft und ihm die Wege gewiesen. Ihm falle das Urteil! Ferne sei es von mir, ihn an der Kraft zu büßen, die der Sonnenherr nun einmal seiner Schrumpfgestalt zu vereinen gelaunt war – ich will sie nicht antasten. Man soll dem Verräter die Zunge ausschneiden.
– Die halbe Zunge«, verbesserte er sich angewidert und mit der Hand abwinkend, da Dûdu ein lautes Jammergeschrei erhob. »Da ich aber«, setzte er hinzu, »gewohnt bin, meine Steine und Kleider in Zwergenhut zu wissen und nicht wünschbar ist, daß meine Gewohnheiten unter dieser Irrung zu leiden haben, so ernenne ich den anderen Zwerg meines Hauses, Se’ench-Wen-nofre-Neteruhotpe-em-per-Amun, zum Schreiber des Ankleidezimmers, – er möge fortan meine Truhen verwalten!«
Gottliebchen, das Näschen im Knitterantlitz zinnoberfarben verweint um Joseph, tat einen Freudensatz. Die Herrin Mut aber hob das Haupt zu Peteprê's Stuhl und raunte zwischen den Zähnen:
»Was sind das für Urteile, mein Gatte, die du da fällst? Sie betreffen ja nur den Rand der Dinge und sind ganz nebensächlich! Was soll man denken von deinem Richtertum, und wie soll ich mich je von dieser Stätte wieder erheben, wenn du so richtest?«
»Nur Geduld!«
Weitere Kostenlose Bücher