Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
erwiderte er ebenso leise, indem er sich vom Stuhle zu ihr hinabbeugte. »Hier wird nach und nach einem jeden sein Recht und sein Spruch, und seine Schuld ereilt den Verbrecher. Sitze nur ruhig! Du wirst dich bald erheben können von hier, so befriedigt, als hättest du selber gerichtet. Denn ich richte für dich, meine Liebe, nur ohne Einmischung von allzuviel Menschenherz – sei froh darüber! Denn wollte dieses das Urteil sprechen in seinem Ungestüm, so möchte es ewiger Reue verfallen.«
Nachdem er diese Worte leise zu ihr hinabgeredet, richtete er sich wieder auf und sprach:
»Nimm deinen Mut zusammen, Osarsiph, mein ehemaliger Jungmeier, denn ich komme nun zu dir, und dein Urteil sollst auch du nun vernehmen, auf das du vielleicht schon lange ängstlich wartest, – zur Verschärfung deiner Strafe verlängerte ich künstlich die Wartezeit. Denn ich gedenke dich rauh anzufassen und dir eine herbe Strafe zuzumuten, – diejenige ungerechnet, die dir aus der eigenen Seele erwächst, da ja drei Tiere häßlichen Namens sich nunmehr an deine Fersen heften: Sie heißen, wenn mir recht ist, ›Scham‹, ›Schuld‹ und ›Spottgelächter‹. Diese machen begreiflicherweise, daß du gesenkten Hauptes und mit zu Boden geschlagenen Augen vor meinem Stuhle stehst, wie ich nicht jetzt erst gewahr werde; denn ich habe dich nicht aus meinem heimlichen Blicke gelassen während der quälenden Wartezeit, die ich dir zumutete. Tief gesenkten Hauptes stehst du im Handholz und schweigst, denn wie solltest du auch wohl nicht schweigen, da du um Rechtfertigung gar nicht gefragt bist und es die Herrin ist, die wider dich zeugt mit ihrem unantastbaren Wort, das allein hier schon die Entscheidung brächte, während doch außerdem noch das Deutzeichen deines Jackenkleides beschämend vorliegt und die unwiderlegliche Sprache der Dinge spricht, indem es von deinem Übermut kündet, der dich schließlich soweit gebracht, daß du dich gegen die Herrin erhobst und, da sie dich zur Rechenschaft ziehen wollte, dein Kleid lassen mußtest in ihrer Hand. Ich frage dich: welchen Sinn hätte es, gegen der Herrin Wort und die eindeutige Sprache der Dinge zu deiner Verteidigung etwas vorzubringen?«
Joseph schwieg und neigte den Kopf noch tiefer.
»Offenbar keinen«, antwortete Peteprê seinerseits. »Du mußt verstummen wie das Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, – nichts anderes bleibt dir heute zu tun, so flink und auch angenehm du sonst redetest. Danke aber dem Gott deiner Sippe, jenem Baal oder Adôn, der ja wohl der untergehenden Sonne gleichkommt, daß er dich behütete im Übermut und es nicht zum Äußersten kommen ließ mit deiner Empörung, sondern dich aus dem Kleide stieß, – danke ihm, sage ich, denn du wärest sonst zu dieser Stunde des Krokodils, oder der langsame Feuertod wäre dein Teil, wenn nicht der Zapfen der Hallentür. Von solchen Strafen kann nun freilich die Rede nicht sein: – da du vorm Schlimmsten behütet wurdest, so bin ich nicht in der Lage sie zu verhängen. Zweifle aber nicht, daß ich trotzdem gewillt bin, dich rauh anzufassen und vernimm dein Urteil nach absichtlich verlängerter Wartezeit! Ins Gefängnis werfe ich dich, darin die Gefangenen des Königs liegen, zu Zawi-Rê, der Inselfestung im Fluß; denn nicht mir gehörst du mehr, sondern Pharao und bist Königssklave. Unter die Hand des Kerkermeisters gebe ich dich, eines Mannes, mit dem man nicht spaßt, und von dem anzunehmen ist, daß er sich von deiner scheinbar wohltuenden Art nicht so bald wird bestechen lassen, so daß du es wenigstens anfangs sehr hart haben wirst im Gefängnis. Übrigens werde ich den Amtmann noch besonders über dich unterweisen in einem Brief, den ich ihm mitzuschicken und worin ich dich ihm gebührend zu kennzeichnen gedenke. An diesen Sühneort, wo kein Lachen ist, wirst du morgen zu Schiffe gebracht werden und wirst mein Angesicht nicht mehr sehen, nachdem du eine Reihe freundlicher Jahre lang mir hast nahe sein, mir den Becher füllen und mir die guten Autoren hast lesen dürfen. Das mag wohl schmerzlich für dich sein, und nicht würde ich mich wundern, wenn deine tief gesenkten Augen jetzt voll Tränen stünden. Wie dem auch sei, morgen wirst du an jenen sehr harten Ort gebracht. In den Hundestall brauchst du jetzt nicht zurückzukehren. Diese Strafe hast du schon absolviert, und vielmehr soll es Dûdu sein, der die Nacht dort verbringen möge, bis man ihm morgen die Zunge stutzt. Du dagegen magst wie gewöhnlich
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