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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ihn feiern willst.«
    »Ich tat es doch nur, um die Namenlosigkeit der Stunde in krassen Gegensatz zu bringen zu der Huld des Tages und so ihre Namenlosigkeit nur desto mehr zur Geltung zu bringen. In der Natur des Namenlosen liegt es offenbar, daß man nicht von ihm selber sprechen kann, sondern von anderem sprechen muß, um es zum Ausdruck zu bringen.«
    »Nein, Peteprê, du hast kein Menschenherz!«
    »Meine Liebe, ich werde dir etwas sagen: Es gibt Umstände, unter denen man einen gewissen Ausfall an Menschenherz geradezu begrüßen darf – im Interesse des Betroffenen sowohl wie auch im Interesse der Umstände, deren Bemeisterung ohne die Einmischung von allzuviel Menschenherz vielleicht viel besser gelingen mag. Was hat nun zu geschehen in dieser tieftraurigen und entsetzlichen Sache, die meinen Ehrentag verunziert? Ohne Säumen ist sie zu begleichen und aus der Welt zu schaffen, denn ich begreife erstens vollkommen, daß du dich von diesem an und für sich unmöglichen Platze nicht erheben willst, eh dir genug geschehen ist für die unsagbare Unannehmlichkeit, die dir begegnet. Zweitens aber muß, bis meine Gäste kommen, was sehr bald sein wird, alles restlos im reinen sein. Ich habe also sofort ein Hausgericht abzuhalten, wobei ich, dem Verborgenen sei Dank, kürzesten Prozeß werde machen können, da dein Wort, meine Freundin, hier einzig Gültigkeit hat und gar kein anderes überhaupt ins Gewicht fällt, so daß schnell das Urteil gesprochen sein wird. – Wo ist Osarsiph?«
    »Im Hundestall.«
    »Ich dachte es mir. Man bringe ihn vor mich. Man rufe die heiligen Eltern vom Oberstock zum Hausgericht, auch wenn sie schon schlafen! Das Hofvolk versammle sich vor meinem Hohen Stuhl, den ich hier aufgestellt wissen will, wo die Herrin sitzt, daß sie sich erst erhebe, nachdem ich gerichtet!«
    Diesen Befehlen wurde eilig genügt, wobei die einzige Schwierigkeit in der anfänglichen Weigerung Huij’s und Tuij’s, des elterlichen Geschwisterpaares, bestand, am Ort zu erscheinen. Denn sie waren berichtet durch ihre zarte Bedienung von dem Tumult: Mit trichterförmigen Mündern hatten ihnen die Stengelarmigen die Geschehnisse hinterbracht, derengleichen die Alten, gerade wie ihr Sühnesohn, der Höfling des Lichtes, von jeher heimlich gewärtigt hatten; und nun fürchteten sie sich und wollten nicht kommen, weil sie sich von der Untersuchung dieser Dinge einen Vorschmack versprachen des Gerichtes vorm unteren König und sich beide zu schwach im Kopfe wußten, um die Argumente ihrer Rechtfertigung noch zusammenzubringen, so daß sie es über ein »Wir haben es gut gemeint« nicht hinausbringen würden. Darum ließen sie sagen, sie seien nah am Verseufzen und einem Hausgericht nicht mehr gewachsen. Aber ihr Sohn, der Herr, ward zornig, stampfte sogar mit dem Fuße auf und verlangte, daß sie sich unbedingt herstützen ließen, wie sie da seien; denn wenn sie zu verseufzen gedächten, so sei die Stätte, wo Mut, ihre Schnur, klagend und Recht heischend sitze, gerade die passende dafür.
    So kamen sie denn herunter vors Tor, auf die pflegenden Kinder gestützt: mit zitterndem Silberbärtchen der alte Huij, furchtbar kopfwackelnd; verzagten Lächelns die Blindritzen im großen weißen Gesicht gleichwie im Suchen hin und her hebend die alte Tuij, und mußten neben Peteprê's Richterstuhl stehen, wobei sie anfangs in großer Aufregung beständig lallten: »Wir haben es gut gemeint!«, sich dann aber beruhigten. Die Herrin Mut saß mit ihrem Pfande und Zeichen neben dem Schemel des Stuhles, hinter welchem ein Mohr in rotem Rock den Hochfächer regte, und Lichtträger hielten sich neben der Gruppe. Aber auch der Hof war von Fackeln erhellt, wo das Dienstvolk, sofern es nicht Festurlaub hatte, beisammenstand; und vornehin vor die Stufen führten sie Joseph im Handholz, nebst Se’ench-Wen-nofre und so weiter, dem Kleinen, der nicht von seinem Schurze wich, wie denn auch Dûdu, in der gewissen Hoffnung, mit seiner guten Stunde werde es immer noch schöner werden, würdig zur Stelle war: die beiden Unterwüchsigen standen zu seiten des Delinquenten.
    Peteprê sprach schnell und formelhaft mit seiner feinen Stimme:
    »Hier wird Gericht gehalten, aber wir haben Eile. – Dich rufe ich an, Ibisköpfiger, der du das Gesetz der Menschen schriebst, weißer Affe du neben der Waage; dich Herrin Ma’at, die du der Wahrheit vorstehst im Schmuck der Straußenfeder. Die Bittopfer, die wir euch schulden, werden nachträglich vollzogen

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