Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
ich ein Geschrei machte und rief, da sank ihm sein Frevelmut, und er rang sich aus seinem Oberkleid, das ich hier als Beweisstück halte, und daran ich ihn halten wollte, damit ihr ihn griffet, und floh unverrichteten Frevels von mir hinaus, also daß ich rein stehe vor euch dank meinem Geschrei. Er aber, der über euch allen und über diesem Hause war, er steht dort als ein Schändling, den seine Tat ergreifen wird, und über den das Gericht kommen soll, sobald der Herr, mein Gemahl, nach Hause kehrt. Legt ihm das Handholz an!«
    So Muts nicht nur unwahre, sondern leider auch hetzerische Rede. Und Potiphars Hofvolk stand verblüfft und ratlos, unklar im Kopf schon durchs Freibier der Tempel, aber durch das, was sie hörten, erst recht. Hatten sie’s denn nicht so gehört und alle gewußt, daß die Frau auf den schönen Vorsteher fliege, er aber sich ihrer weigere? Und nun stellte sich plötzlich heraus, daß er Hand an die Herrin gelegt und es gewaltsam mit ihr hatte treiben wollen? Da drehte sich ihnen der Kopf, vom Bier und von dieser Geschichte, denn sie gab keinen Gedankenreim, und alle hatten sie für den Jungmeier von Herzen viel übrig. Allerdings, geschrieen hatte die Rechte; sie hatten es alle gehört, und alle kannten sie das Gesetz, daß es der Beweis sei für eines Weibes Unschuld, wenn sie laut rief während eines ehrwidrigen Angriffs. Zudem hielt sie des Meiers Oberkleid in der Hand, das wirklich ganz so aussah, als sei es ihr, als er ausriß, zum Pfande geblieben; er selbst aber stand, den Kopf auf die Brust geneigt, und sagte kein Wort.
    »Was zaudert ihr?!« rief eine ehrsam-männliche Stimme, die Stimme Dûdu's, des Kleinherrn, der in gestärkt vorstehendem Festschurz zur Stelle war ... »Hört ihr die Weisung der Herrin nicht, der grauenhaft Beleidigten und fast Schimpfierten, den ibrischen Buben ins Handholz zu tun? Hier ist es, ich habe es mitgebracht. Denn als ich ihre gesetzlichen Schreie vernahm, da wußte ich gleich, woran wir seien und was die Uhr zeige und habe flugs das Holz geholt aus der Peitschenkammer, damit es nicht fehle. Hier! Nicht gegafft und eingespannt die Lotterhände dieses Verruchten, den man einst angekauft wider gediegenen Rat, nach dem hohlsten, und der lange genug den Meister gespielt über uns Echtbürtige! Beim Obelisken! Man wird ihn ins Haus der Marter und Hinrichtung eintreten lassen.«
    Es war Dûdu's, des Ehezwergs, gute Stunde, und er ließ sie sich schmekken. Auch fanden sich zwei vom Gesinde, die ihm das Fesselholz aus der Hand nahmen und es unterm Gewimmer des Schepses-Bes, über das man denn doch lachen mußte, dem Joseph anlegten: einen spindelförmigen Klotz mit einer Ritze darin, den man aufklappen konnte und wieder einschnappen ließ, so daß des Sträflings Hände, eingespannt in den Ritz, sehr eng und hilflos gefangen waren, vom Gewicht des Holzes belastet.
    »Werft ihn in den Hundestall!« befahl Mut mit furchtbarem Aufschluchzen. Und dann kauerte sie zu Boden, wo sie stand, vor dem offenen Haustor und legte Josephs Kleid neben sich hin.
    »Hier sitze ich«, sprach sie gesanghaft über den dunkelnden Hof hin, »auf des Hauses Schwelle, das klagende Leibstück an meiner Seite. Tretet alle zurück von mir, und daß niemand mir rate, ins Haus zu kehren, etwa meines zarten Kleides wegen, damit ich Verkühlung meide am sinkenden Abend. Ich wäre taub solchen Bitten, denn hier will ich sitzen bei meinem Pfande, bis Peteprê einfährt und ich Sühne empfange für ungeheuerste Kränkung.«
    Das Gericht
    Die Stunden sind groß, eine jegliche nach ihrem Gepräge, ob stolz oder elend. Als Esau prahlen durfte und durfte die Beine werfen, da ging es freilich hoch her mit ihm, es war seine Ehrenstunde. Aber als er aus dem Zelt stürzte – »Verflucht! Verflucht!« – und hinhockte, um Tränen rollen zu lassen, so groß wie Haselnüsse – war die Stunde weniger groß und feierlich für den Behaarten? – Gebt acht! Dies ist Peteprê's peinlichste Feststunde, gewärtigt übrigens jederzeit im Grunde von ihm: auf der Vogel-, der Nilpferd- sowohl wie der Wüstenjagd und auch beim Lesen guter alter Autoren war er stets auf eine solche Stunde unbestimmt gefaßt gewesen, nur unkund ihrer Einzelheiten, die aber weitgehend von ihm abhingen, wenn es so weit war, – und siehe, er gestaltete sie nobel.
    Er fuhr ein zwischen Fackeln, kutschiert von seinem Lenker Neternacht, – zeitiger, wie gesagt, als es der Abendgeselligkeit wegen unbedingt notwendig gewesen wäre, auf

Weitere Kostenlose Bücher