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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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wissentlich schuf? Vielleicht ist man zu dieser Annahme verpflichtet. In Semaels Augen jedenfalls lag der Witzpunkt des Vorganges darin, daß der erwählte Stamm es insgeheim und keimweise, von Anfang an sozusagen besser wußte als sein Volksgott, und alle Kräfte seiner reifenden Vernunft daran setzte, Ihm aus seiner unangemessenen Lage wieder ins Jenseitig-Allgültig-Geistige zurückzuhelfen – wobei es des Pfuhles unbewiesene Behauptung bleibt, daß der Rückweg aus dem Sündenfall in den heimischen Ehrenstand eben nur mit dieser angestrengten menschlichen Unterstützung möglich gewesen sei und allein aus eigenen Mitteln niemals gefunden worden wäre. –
    Das Vorwissen der Zirkel der Umgebung reichte kaum bis in diese Fernen; nur bis zu den Munkeleien über geheime Zusammenkünfte mit Semael und über deren Gegenstand reichte es, und es reichte hin, den englischen Mißmut über das »ähnlichste« Geschöpf im allgemeinen zu einer Extra-Gereiztheit gegen den in der Heranbildung begriffenen Wahlstamm sich zuspitzen zu lassen – zu behutsamer Schadenfreude reichte es hin über die kleine Flut und den Schwefelregen, den Man zu Seinem Kummer über ein mit besonderen und weittragenden Absichten ausgestattetes Reis dieses Stammes zu verhängen genötigt gewesen war – in der schlecht verhehlten Absicht freilich, aus der Strafe ein Vehikel zu machen.
    Dies alles drückte sich aus in dem Mündchen-herunterziehen und in der fast unwahrnehmbaren Kopfbewegung, durch die die Choristen einander mit dem Ohre hinab bedeuteten, wo das Reis, die Arme auf dem Rücken zusammengebunden, in einer geruderten Segelbarke das Wasser Ägyptens hinab ins Gefängnis gebracht wurde.

ERSTES HAUPTSTÜCK
    DIE ANDERE GRUBE
    Joseph kennt seine Tränen
    Auch Joseph gedachte der Flut, nach dem Gesetz der Entsprechung von oben und unten. Die Gedanken begegneten sich oder gingen, wenn man will, in großem Abstande nebeneinander her, – nur daß das Menschenreis hier unten auf den Wellen des Jeôr, unter der geistigen Pressung schwerer Erlebnisse, des Urvorganges und Musters aller Strafheimsuchung mit viel mehr Eindringlichkeit und ideenverknüpfender Energie gedachte, als das leid- und erlebnislose, nur eben zart klatschhafte Geschlecht dort oben je aufgebracht hätte.
    Näheres davon sogleich. Der Abgeurteilte lag, recht unbequem, in dem Lattenverschlag, der einem kleineren Lastschiffe aus Akazienholz mit gepichtem Deck als Kajüte und Laderaum diente: einem sogenannten Ochsenboot, auf dessengleichen er wohl selber früher als Eleve des Überblicks und Folge-Meier Waren des Hauses flußauf- oder -abwärts zu Markte gebracht hatte. Bemannt war es mit vier Ruderern, die, wenn der Wind widrig war oder entschlummerte und der schwanke Doppelmast umgelegt war, auf dem Bordgeländer des Vorderstevens stehend, ihre Blätter zu stemmen hatten, einem Steuerruderer achtern und zwei ganz untergeordneten Hausangestellten Peteprê's, die als Bedeckung dienten, aber auch Matrosendienste am Getäu und als Untersucher des Fahrwassers zu versehen hatten. Hinzu als Oberster kam Cha’ma’t, der Schreiber des Schenktisches, dem der Befehl über das Schiff und der Transport des Häftlings nach Zawi-Rê, der Inselfestung, anvertraut worden war. Auf seinem Körper trug er den versiegelten Brief, den der Herr wegen seines fehlbaren Hausmeiers an den Amtmann des Gefängnisses, einen Truppenhäuptling und »Befehlsschreiber des siegreichen Heeres« namens Mai-Sachme, gerichtet hatte.
    Die Reise war weit und langwierig – Joseph mußte der anderen, frühen gedenken, als er, sieben und drei Jahre war es nun her, zum ersten Mal mit seinem Käufer dem Alten, dazu mit Mibsam, dessen Eidam, Epher, seinem Neffen, und Kedar und Kedma, seinen Söhnen, diese Fluten befahren hatte und in neun Tagen von Menfe, der Stadt des Gewickelten, geschifft war nach No-Amun, der Königsstadt. Aber weit über Menfe, ja über On, das Goldene, und über Per-Bastet, die Katzenstadt, ging es nun zurück und hinab; denn Zawi-Rê, das harte Ziel, war tief im Lande des Set und der roten Krone, will sagen in Unter-Ägypten, im Delta schon, in einem Strom-Arm des Gaues von Mendes, das da heißt Djedet, gelegen, und daß es der greuliche Bocksgau war, wohin man ihn brachte, schuf ihm noch ein eigenes Gefühl von Bedenklichkeit zu der allgemeinen Bedrücktheit und Schwermut, die ihn überschattete und doch auch wieder von einer gehobenen Empfindung des Schicksals und sinnigem Spiel der Gedanken

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