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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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begleitet war.
    Denn das Spielen konnte Jaakobs Sohn und der Rechten seiner Lebtage nicht lassen, als Mann so wenig, der nun schon die Zahl seiner Jahre auf siebenundzwanzig errechnete, wie als unkluger Knabe. Die liebste und lieblichste Form des Spielens aber war ihm die Anspielung, und wenn es anspielungsreich zuging in seinem aufmerksam überwachten Leben und die Umstände sich durchsichtig erwiesen für höhere Stimmigkeit, so war er schon glücklich, da durchsichtige Umstände ja nie ganz düster sein können.
    Düster genug, in der Tat, waren die seinen; voll sinniger Trauer betrachtete er sie, während er mit zusammengebundenen Ellbogen auf seiner Matte im Kajütenverschlage lag, auf dessen Dach der Reise-Proviant der Schiffsmannschaft: Melonen, Maiskolben und Brote aufgehäuft waren. Seine Lage war die Wiederkehr einer schrecklich-altvertrauten: abermals lag er hilflos in Banden, wie er einst drei greuliche Schwarzmond-Tage lang in runder Tiefe bei den Rasseln und Kellerwürmern des Brunnenloches gelegen und sich wie ein Schaf mit dem eigenen Unrat besudelt hatte; und war sein Zustand auch milder und weniger streng angezogen als damals, weil die Fesselung sozusagen nur der Form und Gehörigkeit wegen vorgenommen war und man das Stück Warpen-Tau, das dazu gedient, aus Rücksicht und unwillkürlicher Schonung ziemlich locker geschlungen hatte, so war der Sturz doch nicht minder tief und sinnbenehmend, die Lebensveränderung nicht weniger jäh und unglaubwürdig: das Vatersöhnchen, der Hätschelhans, der sich immer nur gesalbt hatte mit Freudenöl, war damals traktiert worden, wie er’s sich nie hatte träumen lassen und nie für möglich gehalten; nun war es der im Totenlande schon sehr hochgestiegene Usarsiph, der an Verfeinerung, liebliche Kultur und Kleider aus gefälteltem Königsleinen gewöhnte Herr des Überblicks und Inhaber des Sondergemachs des Vertrauens, dem also mitgespielt wurde, – auch er war wie vor den Kopf geschlagen.
    Keine Rede mehr von gefältelter Feinheit, von modischem Überschurz und kostbarem Ärmel-Mieder (das war ja zum redenden »Beweisstück« geworden) – ein Sklaven-Hüftkleid, nicht anders, als die Schiffsmannschaft es trug, war alles, was man ihm zugestanden. Von Perücken-Eleganz keine Rede mehr, noch gar von Emaille-Kragen, Armringen und Brustkette aus Rohr und Gold. All diese schöne Kultur war zerronnen, und nichts war ihm zu armem Schmucke geblieben als am Halse das Amulett-Bündelchen an bronzierter Schnur, das er im Lande der Väter getragen, und mit dem der Siebzehnjährige in die Grube gefahren war. Das andere war »abgelegt« – Joseph brauchte bei sich dies bedeutende Wort, ein Wort der Anspielung, wie die Sache selbst eine Anspielung und eine Sache trauriger Ordnung und Stimmigkeit war: es wäre ganz falsch gewesen, mit Brust- und Armschmuck zu fahren, wohin er fuhr; denn die Stunde der Entschleierung und des Ablegens der Schmuckstücke war da, die Stunde der Höllenfahrt. Ein Zyklus war umgelaufen, ein häufig vollendeter, kleiner, aber ein größerer, seltener das Gleiche wiederbringender auch: denn ineinander, in Mittelpunktsgemeinschaft, gingen die Umläufe.
    Ein kleines Jahr lief in sich selbst zurück, ein Sonnenjahr, insofern nämlich, als die schlammabsetzenden Wasser sich wieder einmal verlaufen hatten und (nicht nach dem Kalender, aber in praktischer Wirklichkeit) Zeit der Aussaat war, Zeit von Hacke und Pflug, der Aufriß des Bodens: Wenn Joseph sich aufhob von seiner Matte und sich, wie Cha’ma’t, sein Wärter, es ihm zuweilen erlauben mußte, die Hände auf dem Rücken, als hielte er sie freiwillig dort, auf dem gepichten Deck in den hellhörig-rufereichen Lüften über dem Strome erging oder dort auf einer Taurolle saß, so sah er, wie die Bauern auf dem Fruchtland der Ufer das ernste, gefährliche, von Vorsichts- und Sühne-Maßregeln umgebene Geschäft des Umbrechens und Säens besorgten, – ein Geschäft der Trauer, denn Saatzeit ist Trauerzeit, Zeit der Bestattung des Korngottes, Usirs Bestattung ins Finstere und nur von ferne Hoffnungsvolle, Zeit des Weinens, – und auch Joseph weinte etwas beim Anblick der kornbestattenden Bäuerlein, denn auch er wurde wieder bestattet ins Finstere und nur sehr von ferne Hoffnungsvolle, – zum Zeichen, daß auch ein großes Jahr sich umgedreht hatte und Wiederholung brachte, Erneuerung des Lebens, die Fahrt in den Abgrund.
    Es war der Abgrund, in den der Wahrhafte Sohn steigt, Etura, der

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