Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Liebe, Zögling des Bücherhauses, Cha’ma’t«, sagte Joseph, »und rede nicht über Dinge, von denen du nichts verstehst! Es ist schrecklich, wenn eine zarte und schwere Sache, die viel zu heikel ist für den großen Haufen, unter die Leute kommt, daß jeder seine Zunge daran wetzt und redet den größten Mist darüber – das ist fast nicht zu ertragen und ist unausstehlich, noch nicht so sehr um der Personen wie um der Sache willen, um die es einfach zu schade ist. Simpel und unfein ist es von dir und zeugt nicht von der Kultur Ägyptens, daß du so vor mir sprichst, – nicht weil ich noch gestern dein Vorsteher war, vor dem du dich bücktest, das lasse ich jetzt bei Seite. Aber bedenken solltest du doch, daß ich in der Sache zwischen mir und der Herrin viel besser Bescheid wissen muß als du, dem nur das Äußerlichste davon zu Ohren gekommen, – was hältst du mir also Lehrvorträge darüber? Ferner ist’s ziemlich lächerlich, daß du einen Gegensatz künstlich errichtest zwischen dem rohen Gähhunger meines Fleisches und dem Maße Ägyptens, – welches doch allerwege in einem schwülen Ruf steht über die Welt hin; und als du von ›bespringen‹ redetest und nahmst keinen Anstand, dies Wort in bezug auf mich zu benutzen, da dachtest du gewiß viel mehr an den Bock, zu dem wir hinabziehen, und dem sich die Töchter Ägyptens hingeben, wenn er im Feste ist, – das nenne ich Maß und Vernunft, wahrhaftig! Ich will dir etwas sagen: Es könnte sein, daß von mir in Zukunft einmal die Rede sein wird als von Einem, der seine Reinheit bewahrte unter einem Volk, dessen Brunst wie der Esel und Hengste Brunst war, – das ist’s, was sein könnte. Es könnte sein, daß die Mägdlein der Welt mich einmal beweinen werden vor ihrer Hochzeit, indem sie mir ihre Locken darbringen und ein Klagelied anstimmen, worin sie meine Jugend beklagen und die Geschichte des Jünglings künden, der zwar standhielt dem fiebernden Drängen der Frau, aber um Ruf und Leben dadurch gebracht wurde. Solche Bräuche um meinetwillen stelle ich mir vor, wenn ich hier liege und alles bedenke. Ermiß danach, wie beschränkt mich deine Auslassungen anmuten müssen über mein Los und meine Lage! Was bestaunst du, nicht ohne Vergnügen, mein Unglück? Peteprê's Sklave war ich, von ihm gekauft. Nun bin ich Pharao’s Sklave, nach seinem Spruch. Da bin ich doch mehr worden, als ich war, und habe zugenommen! Was lachst du so einfältig? Gut denn, hinab geht’s mit mir augenblicklich. Aber ist denn das Hinabgehen ohne Ehre und Feierlichkeit, und kommt dir dies Ochsenboot nicht vor wie Usirs Barke, wenn er niederfährt, den unteren Schafstall zu erleuchten und die Bewohner der Höhlen zu grüßen auf seiner nächtlichen Fahrt? Mir kommt es auffallend so vor, das wisse! Wenn du meinst, ich scheide vom Land der Lebendigen, so magst du recht haben. Aber wer sagt, daß meine Nase nicht das Lebenskraut riechen wird und ich nicht morgen über den Weltenrand steigen werde, wie ein Bräutigam hervorgeht aus seiner Kammer, strahlend, daß dich die blöden Augen beißen?«
»Ach, Ex-Meier, ich sehe, derselbe bist du geblieben im Elend, die Plage ist nur, daß niemand weiß, was das heißt bei dir: derselbe; denn es gleicht den bunten Bällen, die Tänzerinnen aufgehen lassen aus ihren Händen und wieder fangen, und man unterscheidet sie nicht, sondern in der Luft bilden sie einen blanken Bogen. Woher du die Hoffart nimmst, trotz Los und Lage, das mögen die Götter wissen, mit denen du umgehst, daß es den Frommen zugleich lächert und schaudert und ihm die Haut graupelig wird wie die Haut einer Gans. Du entblödest dich nicht, von Bräuten zu faseln, die deinem Andenken ihr Haar weihen werden, wie es doch nur einem Gotte geschieht, und vergleichst diesen Kahn, der doch der Kahn deiner Schande ist, mit Usirs Abendbarke – wollte doch der Verborgene, du verglichest ihn nur mit ihr! Aber du flichtst das Wort auffallend ein – ›auffallend‹ sagst du, gleiche der Kahn jener Barke, und weißt damit in der schlichten Seele den Verdacht zu erregen, daß er’s am Ende wirklich sei und du seist möglicherweise wirklich Rê, wenn er Atum heißt und umsteigt in die Barke der Nacht – daher die Graupelhaut. Aber sie kommt nicht nur vom Lächern und Schaudern, sondern auch vom Ärger, das laß dir gesagt sein, vom Unwillen und von der Galle kommt sie auch, und sogar vorwiegend, über deine Anmaßung, und wie du dir’s herausnimmst, dich im Höchsten zu
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