Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
der Andere weit aufgerissenen, glasigen Blickes, in welchem Lüge und Angst einander jagten.
Es war nicht so, wie man hätte erwarten sollen, daß der Bäcker ein Mehlsack, der Schenke aber gleich einem Rebstock gewesen wäre. Im Gegenteil war die Behäbigkeit auf seiten des Schenken; er war klein und feist, und feurig gerötet war seine Miene zwischen den Flügeln seines über der Stirne glattgezogenen Kopftuchs, vor welchen seine drallen, mit Steinknöpfen geschmückten Ohren standen. Seinen herausgerundeten Wangen, die jetzt leider von Bartstoppeln starrten, sah man es an, daß sie, geölt und geschabt, recht fröhlich glänzen konnten, – wie denn die gegenwärtige Bestürzung und Trübsal in des Kellermeisters Gesicht den Grundzug von Fröhlichkeit darin nicht gänzlich auszulöschen vermochten. Der Oberbäcker dagegen war lang im Vergleich mit ihm und im Nacken geknickt; sein Antlitz schien fahl, wenn auch vielleicht nur wieder vergleichsweise und auch weil es von einer tiefschwarzen Haartour gerahmt war, woraus die breiten goldenen Ohrringe schauten. Ganz ausgesprochen unterweltliche Züge aber waren nicht zu verkennen in des Bäckers Gesicht: die längliche Nase stand ihm etwas schief, und auch sein Mund war nach einer Seite hin schief verdickt und verlängert; er hing dort mißlich herab, und zwischen den Brauen lagerte dunkel bedrängendes Fluchwesen.
Nun muß man nicht glauben, daß Joseph das unterschiedliche Gepräge der Physiognomieen seiner Pflegebefohlenen mit wohlfeiler Parteinahme für die Serenität der einen und mit ebenso billiger Abneigung gegen die fatale Zeichnung der anderen wahrgenommen hätte. Seine Bildung und Frömmigkeit hielten ihn an, die Merkmale beider Art, die lustigen und die bedenklichen, mit dem gleichen Schicksalsrespekt zu beobachten, ja, sie bestimmten ihn, derjenigen Erscheinung, der die Darstellung unterirdischer Bedenklichkeit übertragen war, sogar noch mehr innere Höflichkeit entgegenzubringen als dem Mann der Jovialität.
Übrigens waren die schön gepreßten und mit bunten Knotenbändern reichlich versehenen Hofkleider der Herren von der Reise zerdrückt und unsauber; aber ein jeder trug noch die Insignien seines Hoch-Amtes zur Schau: der Schenk einen Halskragen aus goldenem Weinlaub, der Bäcker ein Brustzeichen von goldenen Ähren, die sich in dem Schneidenrund einer Sichel bogen.
»Nicht ich bin’s«, wiederholte Joseph, »der euch das Haupt erheben kann, noch ist es der Amtmann. Alles, was wir tun können, ist, das Unbehagen, dem ihr durch eine dunkle Fügung verfallen seid, so gut und schlecht es gehe, ein wenig herabzusetzen, und ihr müßt verstehen, daß damit schon der Anfang gemacht ist gerade dadurch, daß es euch in den ersten Stunden an allem fehlte. Denn fortan soll es euch wenigstens an Einigem nicht mehr fehlen, und das werdet ihr nach der vollkommenen Entbehrung angenehmer empfinden als alles, was ihr hattet, als ihr euch noch salbtet mit Freudenöl, und was dieser leidige Ort auch niemals gewähren kann. Ihr seht, in wie guter Meinung es geschah, Herr Gaugraf von Abôdu und Fürst von Menfe, daß man euch vorläufig so kurz hielt. Vor Ablauf einer Stunde werden hier zwei, wenn auch einfache, Bettstellen aufgeschlagen sein. Ein Lehnstuhl, zu abwechselndem Gebrauch, soll sich zu den Hockern gesellen. Ein Schabemesser, leider wohl nur aus Stein – ich bitte deswegen im Voraus um Nachsicht – wird zur Verfügung stehen, und eine sehr gute Augenschminke, schwarz, aber ins Grünliche spielend, weiß der Hauptmann selbst zu bereiten und wird euch auf meine Befürwortung gern und ruhig eine Quantität davon abtreten. Was einen Spiegel betrifft, so war es wieder nur wohl gemeint, daß ihr vorerst keinen hattet, denn es ist viel besser, daß ein solcher erst euer gesäubertes Bild aufnimmt und nicht euer gegenwärtiges. Euer Knecht, womit ich mich selber meine, besitzt einen kupfernen, ziemlich klaren, und wird ihn euch gern für die Dauer eures Aufenthaltes, der ja so oder so nur kurz bemessen sein kann, leihweise überlassen. Es wird euch angenehm sein, daß sein Rahmen und Griff von dem Zeichen des Lebens gebildet werden. Ferner mögt ihr euch zur rechten Seite des Häuschens täglich von zwei Wachsoldaten, die ich dazu anstellen werde, mit Wasser baden lassen und zur linken euren Leibesnöten genügen, was wohl zur Zeit das Vordringlichste ist.«
»Prächtig«, sagte der Mundschenk. »Prächtig für den Augenblick und in Ansehung der Umstände!
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