Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Amenhotep, »so meinst du und fällst der Mutter bei in diesem Punkt, daß ich sogleich und ohne mir Zeit zu nehmen eine Vergatterung einberufe meiner Großen und Ratgeber, damit sie ausmachen, wie man die Fülle züchtigt zur Meisterung des Mangels?«
»Pharao«, erwiderte Joseph, »hat nicht eben viel Glück gehabt mit den Vergatterungen, als es die Deutung galt seines Kron-Traumes, des doppelten. Er deutete selbst, – da fand er die Wahrheit. Ihm allein ward Verkündigung gesandt und bereitet der Überblick, – ihm allein steht es zu, den Überblick zu bewirtschaften und die Fülle zu maßregeln, die vor der Dürre kommt. Ungewöhnliche und nie getroffene Maßregeln müssen das sein, ihrem Umfange nach, da Vergatterungen nur auf mäßig-übliche zu verfallen pflegen. Einer hat geträumt und gedeutet, – einer beschließe und führe aus.«
»Pharao führt nicht aus, was er beschließt«, ließ Teje, die Mutter, sich kühl vernehmen, indem sie zwischen Joseph und dem Sohne hindurchsah. »Das ist eine unwissende Vorstellung. Gesetzt auch, er beschlösse auf eigene Hand, was den Träumen nach zu beschließen, – nämlich zuvor gesetzt, daß man nach diesen Träumen beschließen soll –, so wird er die Ausführung in die Hände der Großen legen, die dazu bestellt sind: Der beiden Wesire des Südens und Nordens, der Verwalter der Kornhäuser und Viehhöfe und der Vorsteher des Schatzhauses.«
»Genau so«, sagte Joseph mit Erstaunen, »gedachte ich in der Höhle zu mir zu sprechen, wenn ich in Gedanken das Gespräch der Großen fortsetzen würde, und aufs Tüttelchen diese Worte einschließlich der ›unwissenden Vorstellung‹ wollte ich gegen mich vorbringen und sie der Großen Mutter in den Mund legen zu meiner Strafe. Es macht mich groß vor mir, daß sie buchstäblich sagt, was ich sie hätte sagen lassen, im Loche mit mir allein. Ihr Wort nehm’ ich mit mir, und wenn ich lebe und zehre dort unten von dieser hehren Stunde, will ich im Geiste antworten und sprechen: ›Unwissend sind alle meine Vorstellungen, aber eine Ausnahme gibt’s: zu denken, Pharao, die schöne Sonne der Länder, führe selber aus, was er beschließt, und überlasse nicht vielmehr geprüften Dienern die Ausführung, indem er spricht: ‹Ich bin Pharao! Du sollst sein wie ich und Vollmacht haben von mir in dieser Sache, darin ich dich geprüft, und sollst Mittler sein zwischen mir und den Menschen, gleichwie der Mond Mittler ist zwischen Sonne und Erde, daß du zum Segen wendest das Verhängte für mich und die Länder›, – nein so umfassend ist meine Unwissenheit nicht, diese Ausnahme muß sie leiden, und deutlich höre ich im Geiste Pharao so sprechen – nicht zu mehreren, sondern zu einem.‹ Und ich werde weiter sagen, wenn niemand mich hört: ›Mehrere sind nicht gut in solchem Falle; einer sei’s, wie der Mond Einer ist unter den Sternen, der Mittler zwischen Oben und Unten, der die Träume der Sonne kennt. Außerordentliche Maßregeln müssen schon bei der Wahl dessen beginnen, der sie tätigen soll – sonst werden sie nicht außerordentlich sein, sondern mäßig-üblich und ungenügend. Denn warum? Weil sie nicht aus dem Glauben und aus der wissenden Vorsorge werden getätigt werden. Erzähle den Mehreren deine Träume, – sie werden sie glauben und nicht glauben, eines jeden wird nur ein Teil Glaube und ein Teil Vorsorge sein, und alle Teile zusammen machen den ganzen Glauben nicht aus und ergeben die volle Vorsorge nicht, die vonnöten, und die nur bei Einem sind. Darum sehe Pharao nach einem verständigen und weisen Manne, in dem der Geist der Träume ist, der Geist des Überblicks und der Geist der Vorsorge, und setze ihn über Ägyptenland mit dem Worte: ‹Sei wie ich›, daß es von ihm wie im Liede heiße: ‹Er war’s, der alles sah bis an des Landes Grenzen und der die Fülle züchtigte mit nie getroffenen Maßregeln, um Schatten zu spenden dem König in Tagen des Mangels.› ‹Dies sind meine zukünftigen Worte, die ich sprechen werde bei mir in der Grube, da sie hier vor den Göttern zu sprechen der gröblichste Vorwitz wäre. Entläßt nun Pharao den Knecht von seinem Angesicht, daß er aus der Sonne gehe in seinen Schatten?«
Und Joseph tat eine Wendung gegen den Bienen-Vorhang und eine Gebärde des Armes dorthin, die fragte, ob er hindurchgehen dürfe. Daß die Augen der Göttin-Mutter scharf auf ihn blickten und die weltkundigen Falten um ihre Lippen sich zum spöttischen Lächeln vertieften, danach
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