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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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zitterte merklich, obgleich Amenhotep ihn mit der anderen Hand unterstützte. Doch zitterte diese Hand eben gleichfalls. Joseph betrachtete achtungsvoll das Vorgewiesene und zog sich dann wieder etwas zurück vom königlichen Stuhl. Die Göttin-Mutter sagte:
    »Du erregst dich, Meni, es ist der Gesundheit deiner Majestät nicht zuträglich. Nach dem Deutungsgeschäft und all diesem Austausch solltest du ruhen und dir Zeit nehmen von der Zeit, die dir gegeben ist, deine Entschlüsse reifen zu lassen, sowohl was die Maßregeln betrifft gegen das möglicherweise Kommende, wie in der sehr ernsten Sache der Namensänderung, die du erwägst, wie auch, nebenbei, einer angemessenen Belohnung wegen für diesen Wahrsager. Suche dein Bett auf!«
    Allein der König wollte das nicht. »Mamachen«, rief er, »ich bitte recht lieb und schön, verlange das nicht von mir, jetzt, wo ich so vielversprechend im Zuge bin! Ich versichere dich, meine Majestät ist vollkommen kräftig, und keine Spur von Ermüdung macht sich mir bemerkbar. Erregt bin ich vor Wohlsein, und mir ist wohl vor Erregung. Du sprichst genau wie die Wärterinnen in meiner Kindheit, – wenn ich am lustigsten war, so sprachen sie: ›Übermüde bist du, Erbe der Länder, und mußt ins Bette.‹ Fuchsteufelswild konnt’ es mich damals machen, und vor Wut konnt’ ich strampeln. Nun bin ich groß und danke dir ehrerbietig für deine Sorge. Aber ich habe das deutliche Gefühl, daß dieser Empfang noch zu weiteren schönen Ergebnissen führen kann, und daß meine Entschlüsse viel besser als im Bette im Gespräch mit diesem gewandten Wahrsager reifen werden, dem ich allein schon dafür dankbar bin, daß er mir Gelegenheit gab, dich mein Vorhaben wissen zu lassen, einen wahreren Namen anzunehmen, der den Namen des Einzigen trägt, nämlich Echnatôn, damit es meinem Vater wohlgefällt, wie ich heiße. Alles muß nach ihm heißen, und nicht nach Amun, und wenn die Herrin der Länder, die den Palast mit Schönheit füllt, die süße Titi, demnächst glücklich niederkommt, so soll das Königskind jedenfalls Merytatôn genannt sein, ob es nun ein Prinz ist oder eine Prinzessin, damit es geliebt sei von dem, der die Liebe ist, – ganz gleich, ob ich mir dadurch einen unangenehmen Empfang zuziehe des Großmächtigen von Karnak, der kommen und vorstellig werden wird und mich langstielig bedrohen mit dem Zorne des Widders – den kann ich tragen. Ich will alles gern tragen um der Liebe willen zu meinem Vater am Himmel.«
    »Pharao«, sagte die Mutter, »du läßt außer Acht, daß wir nicht allein sind und diese Dinge, die mit Klugheit und Mäßigung zu handhaben sind, wohl besser nicht vor den Ohren dieses Wahrsagers aus dem Volke erörtern.«
    »Laß das gut sein, Mamachen!« erwiderte Amenhotep. »Der ist in seiner Art von einer edlen Herkunft, das hat er uns selbst zu verstehen gegeben – der Sohn eines Schelmen und einer Lieblichen, was etwas ausgesprochen Anziehendes für mich hat, und daß er schon als Kind das Lamm genannt wurde, bezeugt auch eine gewisse Eleganz. Kinder aus niederen Schichten werden nicht so genannt. Außerdem habe ich den Eindruck, daß er Vieles zu verstehen und auf Vieles zu erwidern vermag, besonders aber den, daß er mich liebt und mir zu helfen bereit ist, wie er mir schon geholfen hat beim Deuten der Träume und auch durch seine originelle Ansicht, daß man sich nennen soll je nach den Umständen und nach Befinden. Es wäre alles recht schön und gut, wenn mir nur der Name besser gefiele, mit dem er sich nennt ... Ich will nicht unfreundlich sein und dich nicht betrüben«, wandte er sich an Joseph, »aber es betrübt mich meinesteils, was für einen Namen du angenommen hast – Osarsiph, das ist ja ein Totenname, wie wenn man den verstorbenen Stier Osar-Chapi nennt, und trägt den Namen des Totenherrn, Usirs, des Fürchterlichen, auf dem Richterstuhl und mit der Waage, der nur gerecht ist, aber gnadenlos, und vor dessen Spruch die verängstigte Seele zittert. Es ist alles nur Verängstigung mit diesem alten Glauben, der selber tot ist, ein Osar-Glaube, und meines Vaters Sohn glaubt nicht daran!«
    »Pharao«, hörte man wieder die Stimme der Mutter, »ich muß dich aufs neue berufen und dich zur Vorsicht mahnen und brauche keinen Anstand zu nehmen, es im Beisein dieses fremden Traumdeuters zu tun, da du ihn eines so ausgedehnten Empfanges würdigst und seine bloße Aussage, er sei als Kind ›das Lamm‹ genannt worden, als Zeichen seiner

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