Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
höheren Herkunft nimmst. So möge er hören, daß ich dich zu Maß und Weisheit verwarne. Es ist genug, daß du die Kraft Amuns zu mindern trachtest und dich wider die Allgemeinheit seiner Herrschaft setzest, indem du ihm, wenn möglich, Schritt für Schritt die Einheit entziehst mit Rê, dem Horizontbewohner, der der Atôn ist – schon dazu bedarf es aller Klugheit und Politik der Welt, eines kühlen Kopfes bedarf es dazu, und hitzige Überstürzung ist vom Übel. Aber hüte sich deine Majestät, auch noch den Glauben des Volkes anzutasten an Usir, den unteren König, an dem es hängt wie an keiner anderen Gottheit, weil alle gleich vor ihm sind und jeder hofft, in ihn einzugehen mit seinem Namen. Schone die Neigung der Vielen, denn was du gibst dem Atôn durch die Schmälerung Amuns, das nimmst du ihm wieder durch Usirs Verletzung!«
»Ach, ich versichere dich, Mamachen, das bildet das Volk sich nur ein, daß es so hängt am Usiri!« rief Amenhotep. »Wie soll es denn daran wohl hängen, daß die Seele, die nach dem Richterstuhl wandert, sieben mal sieben Gefilde des Schreckens durchschreiten muß, von Dämonen belagert, die sie auf Schritt und Tritt nach dreihundertsechzig schwer zu behaltenden Zaubersprüchen verhören, – all diese muß die arme Seele am Schnürchen haben und aufsagen können einen jeden am rechten Ort, sonst kommt sie nicht durch und wird schon vorher gefressen, bevor sie zum Stuhle gelangt, wo sie aber auch alle Aussicht hat, gefressen zu werden, wenn nämlich ihr Herz zu leicht befunden wird auf der Waage, und wird diesesfalls dem Ungetüm überliefert, dem Hund von Amente. Ich bitte dich, wo ist denn da etwas, daran zu hängen – es ist ja aller Liebe und Güte zuwider meines Vaters am Himmel! Vor Usir, dem Unteren, sind alle gleich, – ja, gleich im Schrecken! Vor Ihm aber sollen alle gleich sein in der Freude. So ist’s mit der Allgemeinheit auch des Amun und des Atôn. Auch Amun will allgemein sein mit Hilfe des Rê und will die Welt vereinigen in seiner Anbetung. Darin sind sie eines Sinnes. Aber eins machen will Amun die Welt in der Dienstbarkeit starren Schreckens, was eine falsche und finstere Einheit ist, die mein Vater nicht will, denn er will seine Kinder vereinigen in Freude und Zärtlichkeit!«
»Meni«, sagte die Mutter gedämpft, »es wäre besser, du schontest dich, und deine Majestät spräche nicht so viel von Freude und Zärtlichkeit. Erfahrungsgemäß sind dir diese Worte gefährlich und bringen dich außer dir.«
»Ich spreche, Mamachen, ja nur vom Glauben und Nicht-Glauben«, antwortete Amenhotep, indem er sich wieder aus dem Kissen emporarbeitete und auf seine Füße trat. »Von diesen spreche ich, und meine Begabung sagt mir, daß Nicht-Glauben beinahe noch wichtiger ist als Glauben. Zum Glauben gehört eine Menge Nicht-Glauben, denn wie soll Einer das Rechte glauben, solange er Irrwitz glaubt? Will ich das Volk das Rechte lehren, muß ich ihm manchen Glauben nehmen, an dem es hängt, – das ist vielleicht grausam, doch grausam aus Liebe, und mein Vater am Himmel wird mir’s verzeihen. Ja, was ist herrlicher, das Glauben oder das Nicht-Glauben, und welches muß vor dem andern kommen? Zu glauben, ist eine große Wonne der Seele. Doch nicht zu glauben, das ist beinah glückseliger noch als das Glauben, – ich hab’s entdeckt, meine Majestät hat’s erfahren, und an die Angstgefilde und die Dämonen und an Usiri mit seinen gräßlich Benannten und an die Fresserin dort unten glaube ich nicht, ich glaub’ nicht dran! Glaub’ nicht dran! Glaub’ nicht dran!« sang und trällerte Pharao, indem er sich, auf seinen sonderbaren Beinen tänzelnd, um sich selber drehte und bei ausgebreiteten Armen mit den Fingern beider Hände schnippte.
Danach war er außer Atem.
»Warum hast du dir einen solchen Totennamen gegeben?« fragte er keuchend, indem er bei Joseph stehen blieb. »Hält dich dein Vater für tot, so bist du’s doch nicht.«
»Schweigen muß ich ihm«, antwortete Joseph, »und heiligte mich dem Schweigen mit meinem Namen. Wer da heilig und aufgespart ist, der ist es den Unteren. Du kannst vom Heiligen und Geweihten nicht das Untere trennen, – ihm gehört es, – und eben darum liegt auf ihm der Schein, der von oben ist. Jedes Opfer bringt man den Unteren, aber es ist das Geheimnis, daß man es eben damit recht erst den Oberen bringt. Denn Gott ist das Ganze.«
»Er ist das Licht und die süße Sonnenscheibe«, sagte Amenhotep in Rührung, »deren
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