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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Blick in seiner Wahrheit. Spiel und Anspiel war es, vertraulich, freundliche Lieblingsschaft, anklingend ans Heil, doch nicht ganz im Ernste berufen und zugelassen. Wie sich Heiterkeit und Traurigkeit darin vermischen, das ergreift mein Herz mit Liebe, – so liebt dich keiner, Kind, der nur deines Lebens Glanz, nicht auch, wie das Vaterherz, seine Traurigkeit sieht. Und so segne ich dich, Gesegneter, aus meines Herzens Kraft in des Ewigen Namen, der dich gab und nahm und gab und mich nun von dir hinwegnimmt. Höher sollen meine Segen gehen, als meiner Väter Segen ging auf mein eigenes Haupt. Sei gesegnet, wie du es bist, mit Segen von oben herab und von der unteren Tiefe, mit Segen quellend aus Himmelsbrüsten und Erdenschoß! Segen, Segen auf Josephs Scheitel, und in deinem Namen sollen sich sonnen, die von dir kommen. Breite Lieder sollen strömen, die deines Lebens Spiel besingen, immer aufs neue, denn ein heilig Spiel war es doch, und du littest und konntest verzeihen. So verzeihe auch ich dir, daß du mich leiden machtest. Und Gott verzeihe uns allen!«
    Er endete und zog zögernd die Hand zurück von diesem Haupt. So trennt sich ein Leben vom andern und muß dahingehen; über ein Kleines aber, so geht auch das andre dahin.
    Joseph trat unter die Brüder zurück. Er hatte nicht zuviel gesagt, daß auch er sein Teil bekommen und mit Sterbe-Wahrheitssinn werde beurteilt werden. Er nahm Benjamin bei der Hand und brachte ihn dar, da der Greis ihn aufzurufen versäumte. Sichtlich war es mit dessen Kräften aufs Letzte gekommen, und Joseph mußte die Segenshand zu des Brüderchens Scheitel führen, weil sie von selbst nicht mehr hätte den Weg gefunden. Daß es der Jüngste war, der seinen Spruch erwartete, wußte der Alte wohl noch, aber was seine versagenden Lippen noch murmelten, gab keinen Reim auf des Kleinen Person. Möglich, daß sie einen geben würden auf seine Nachkommen. Benjamin, so erlauschte man, war ein reißender Wolf, der des Morgens Raub fressen und des Abends Raub austeilen würde. Er war verdutzt es zu hören.
    Jaakobs letzter Gedanke galt wieder der Höhle, der doppelten, auf Ephrons Acker, des Sohnes Zohars, und daß er darin begraben sein wolle zu seinen Vätern. »Ich gebiete es euch«, hauchte er. »Sie ist bezahlt, bezahlt von Abram den Kindern Heths mit vierhundert Schekeln Silbers nach dem Gewicht, wie es ...« Da unterbrach ihn der Tod, er streckte die Füße, sank tiefer ein in das Bett, und sein Leben stand still.
    Sie hielten auch alle ihr Leben und Atem ein wenig an, als es geschah. Dann trat Mai-Sachme, des Joseph Haushalter, der auch ein Arzt war, mit Ruhe ans Lager heran. Er legte das Ohr an das stille Herz, beobachtete kleinen, ernsthaften Mundes ein Federchen, das er auf die verstummten Lippen getan und dessen Flaum sich nicht rührte, und schlug ein Feuerchen an vor den Pupillen, die’s nicht mehr kümmerte. So wendete er sich zu Joseph, seinem Herrn, und meldete ihm:
    »Er ist versammelt.«
    Der aber wies ihn mit dem Kopfe an Juda, daß er dem Meldung erstatte und nicht ihm. Und während sich der Gute vor jenen stellte und wiederholte: »Versammelt ist er«, trat Joseph zum Bette des Scheidens und drückte dem Toten die Augen zu: denn deswegen hatte er Mai zu Juda geschickt, daß er das täte. Dann legte er seine Stirn an des Vaters Stirn und weinte um Jaakob.
    Juda, der Erbe, verordnete, was sich schickte: daß Klagemänner und -weiber bestellt würden, Sänger und Sängerinnen, nebst Flötenspielern, und daß der Leichnam gewaschen, gesalbt und eingehüllt würde. Damasek-Eliezer entzündete ein Rauchopfer im Zelt: Stakte, Räucherklaue vom Roten Meer, Galbanum und Weihrauch mit Salz vermischt; und während die würzigen Wolken den Toten umzogen, strömten die Sterbegäste hinaus, vermischten sich mit den Draußenstehenden und zogen davon, indem sie eifrig die Sprüche beredeten und die Bescheide, die Jaakob den Zwölfen erteilt.
    Nun wickeln sie Jaakob
    Und so ist denn diese Geschichte, Sandkorn für Sandkorn, still und stetig durch die gläserne Enge gelaufen; unten liegt sie zu Hauf, und nur wenige Körnchen noch bleiben im oberen Hohlraum zurück. Nichts ist übrig von all ihrem Geschehen, als was mit einem Toten geschieht. Das aber ist kein Kleines; laßt euch raten, andächtig zuzuschauen, wie die letzten Körnchen durchrinnen und sich sanft aufs unten Versammelte legen. Denn was mit Jaakobs Hülle geschah, das war ganz außerordentlich und war ein Ehrenaufwand damit,

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