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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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schnelles Gelingen, wenn auch kein allzu bedeutendes, sei dein Spruch und Teil.«
    Auch dieser Sohn trat ausgesegnet zurück. Mit geschlossenen Augen ruhte der Alte, in tiefer Stille, das Kinn auf der Brust. Und über ein Weilchen lächelte er. Alle sahen dies Lächeln und waren gerührt, denn sie wußten den Ruf, den es ankündigte. Es war ein glückliches, ja verschmitztes Lächeln und etwas traurig auch, aber verschmitzt eben dadurch, daß Liebe und Zärtlichkeit innig darin die Trauer überkamen und den Verzicht. »Joseph!« sagte der Greis. Und ein Sechsundfünfzigjähriger, der einmal dreißig gewesen war und siebzehn und neun und im Wiegenbettchen gelegen hatte als Lamm des Mutterschafs, ein Kind der Zeit, schön von Gesicht, in ägyptischem Weiß, Pharao’s Himmelsring am Finger, ein begünstigter Mann, beugte sich unter die bleiche Segenshand.
    »Joseph, mein Reis, du Sohn der Jungfrau, der Lieblichen Sohn, Sohn des Fruchtbaums am Quell, Fruchtrebe du, deren Zweige ranken über das Mauergestein, sei mir gegrüßt! Dessen der Frühlingspunkt ist, erstgeborener Stier in seinem Schmucke, gegrüßt sei mir!«
    Jaakob hatte dies laut und vernehmlich gesprochen, als feierliche Anrede, die alle hören sollten. Danach aber senkte er seine Stimme beinahe zum Raunen, sichtlich gewillt, die Öffentlichkeit, wenn nicht auszuschließen, so doch einzuschränken bei diesem Segen. Nur die Nächststehenden vernahmen seine Abschiedsworte an den Gesonderten; weiter Entfernte faßten nur Einzelnes auf, und ganz leer aus gingen fürs erste die draußen. Nachher aber wurde alles wiederholt, verbreitet und durchgesprochen.
    »Geliebtester du«, kam es von den schmerzlich lächelnden Lippen. »Kühnen Herzens Bevorzugter um der einzig Geliebten willen, die in dir lebte, und mit deren Augen du blicktest, ganz so, wie sie mir einst entgegenblickte am Brunnen, als sie mir erstmals erschien unter Labans Schafen und ich den Deckel wälzte für sie, – ich durfte sie küssen und es frohlockten die Hirten: ›Lu, lu, lu.‹ In dir hielt ich sie, Liebling, als der Gewaltige sie mir entrissen, in deiner Anmut wohnte sie, und was ist süßer als das Doppelte, Schwankende? Ich weiß wohl, daß das Doppelte nicht des Geistes ist, für den wir stehen, sondern ist Völkernarrheit. Und doch erlag ich seinem urmächtigen Zauber. Kann man denn auch allezeit gänzlich des Geistes sein und die Narrheit meiden? Siehe, doppelt bin ich nun selbst, bin Jaakob und Rahel. Sie bin ich, die so schwer von dir dahinging ins fordernde Land, denn auch mich fordert es heute von dir hinweg – es fordert uns alle. Du auch, meine Freude und Sorge, hast schon halben Weg gemacht gegen das Land und warst doch einmal klein und dann jung und warst alles, was mein Herz unter Anmut verstand, – ernst war mein Herz, aber weich, drum war es schwach vor der Anmut. Zum Erhabenen berufen und zum Anschauen diamantener Schroffen, liebte es heimlich die Reize der Hügel.«
    Seine Worte versiegten für einige Minuten, und er lächelte mit geschlossenen Augen, als wandelte sein Geist in der reizenden Hügellandschaft, deren Bild ihm beim Segen Josephs aufgestiegen war.
    Als er wieder zu sprechen begann, schien er vergessen zu haben, daß Joseph’s Haupt unter seiner Hand war, denn auch von ihm sprach er nun eine Weile wie von einem Dritten.
    »Siebzehn Jahre lebte er mir und hat mir gelebt noch andere siebzehn Jahre nach Gottes Gnade: dazwischen lag meine Starre und lag des Gesonderten Schicksal. Seiner Anmut stellten sie nach, – töricht, denn Klugheit war innig eines mit ihr, daran ward ihre Gier zuschanden. Lockender, als man je gesehen, sind die Frauen, die hinaufsteigen, um ihm von Mauern und Türmen und von den Fenstern nachzusehen, aber sie haben das Nachsehen. Da machten’s ihm bitter die Menschen und befeindeten ihn mit Pfeilen der Nachrede. Aber in Kraft blieb sein Bogen, sein Muskel in Kraft, und ihn hielten des Ewigen Hände. Nicht ohne Entzücken wird seines Namens gedacht werden, denn ihm gelang, was wenigen glückt: Gunst zu finden vor Gott und den Menschen. Das ist ein seltener Segen, denn meist hat man die Wahl, Gott zu gefallen oder der Welt; ihm aber gab es der Geist anmutigen Mittlertums, daß er beiden gefiel. Überhebe dich nicht, mein Kind, – muß ich dich mahnen? Nein, ich weiß, deine Klugheit hütet dich wohl vor Hoffart. Denn es ist ein lieblicher Segen, aber der höchste und strengste nicht. Siehe, dein teures Leben liegt vor des Sterbenden

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