Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Eselsfüllen. Waren es die Weinberge von Hebron, die Rebenhügel von Engedi? In seine Stadt ritt »er« ein auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin, – da war nichts als trunkene Lust wie von rotem Weine bei seinem Anblick, und er selber war einem trunkenen Weingott gleich, der die Kelter tritt, hoch geschürzt und begeistert: das Weinblut netzte seinen Schurz und der rote Rebensaft sein Gewand. Schön war er, wie er watend trat und den Tanz der Kelter vollführte, – schön über alle Menschen: so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz ...
Jaakobs Stimme verlor sich. Sein Haupt nickte nieder, und er schaute von unten. Sehr hatte er sich verausgabt bei diesem Segen, in fast unwirtschaftlicher Weise. Er schien um die Erneuerung seiner Kräfte zu beten. Juda, der fand, er sei ausgesegnet, trat zurück, beschämt und erstaunt, weil Unreinheit also kein Hindernis war. Das Aufsehen in der Sterbeversammlung über die vollkommen neuen Enthüllungen und Anzeigen, die dieser Segen gebracht, über die Verkündigung Schilo’s, war außerordentlich und kaum zu bändigen. Ein lebhaftes Flüstern ging um, so drinnen wie draußen. Draußen war es sogar ein Murmeln; man hörte Stimmen den Namen Schilo erregt wiederholen. Doch alle Bewegung verstummte sogleich, als Jaakob Haupt und Hand wieder hob. Der Name Sebuluns kam von seinen Lippen.
Der tat sein Haupt unter die Hand, und da sein Name »Wohnung« war und »Behausung«, so wunderte niemand sich, daß Jaakob ihm seine Wohnung anzeigte und seine Behausung: zum Gestade hin sollte er wohnen, den Schätzen der Schiffe nahe und sollte an Sidon grenzen. Genug damit, er hatte es sich schon immer gewünscht, und ziemlich mechanisch und matt wurde es über ihn ausgesprochen. Issakhar ...
Issakhar würde gleich einem knochigen Esel sein, der zwischen den Hürden lagert. Die Eselchen im Krebse waren seine Gevattern, aber trotz dieser Beziehung schien Jaakob nicht viel von ihm zu erwarten. In Kürze erzählte er von ihm in der Vergangenheitsform, die Zukunft bedeutete. Issakhar sah die Ruhe, daß sie gut, und das Land, daß es angenehm war. Er war stark und phlegmatisch. Er machte sich nichts daraus, seine Knochen herzuleihen zum Lasttragen als Karawanenesel. Das Bequemste schien ihm, zu dienen, und neigte die Schultern, daß man sie belüde. Soviel von Issakhar. Er stieß an den Jordan, glaubte Jaakob zu sehen. Genug von ihm. Nun zu Dan.
Dan führte die Waage und richtete mit Scharfsinn. So spitzfindig war er von Geist und Zunge, daß er stach und gleich einer Natter war. Dieser Sohn gab Jaakob Gelegenheit, mit erhobenem Finger eine kleine tierkundliche Belehrung für die Anwesenden einfließen zu lassen: Im Anfang, als Gott im Schaffen war, hatte er den Igel mit der Eidechse gekreuzt, so ward die Otterschlange. Dan war eine Otterschlange. Eine Schlange war er am Wege und eine Hornnatter am Steige, nicht leicht gewahr zu werden im Sande und äußerst tückisch. In ihm nahm das Heldische die Form der Tücke an. Des Feindes Roß stach er in die Ferse, daß der Reiter rücklings fiel. So Dan, von Bilha. »Auf deine Hilfe hoffe ich, Ewiger!«
Hier war es, daß Jaakob diesen Seufzer und dieses Stoßgebet tat, im Gefühl der Erschöpfung und in der Besorgnis, nicht fertig zu werden. Er hatte soviele Söhne gezeugt, daß ihre Anzahl in seiner letzten Stunde fast über seine Kräfte ging. Mit Gottes Hilfe aber würde er durchkommen.
Er forderte den gedrungenen, mit Erz benähten Gad.
»Gaddiel, es drängt dich Gedränge, aber letztlich drängst du. Dränge wohl, mein Gedrungener! – Nun Ascher!«
Ascher, der Leckerlippige, hatte fett Land vom Berge bis gegen Tyrus. In Korn wogte das Niederland und troff von Öl, daß er fett speiste und schuf fein Salbenfett, wie es die Könige einander zuschicken für ihr Wohlgefühl. Von ihm kam Wohlgefühl und die Lust des gepflegten Leibes, die auch etwas ist. »Ascher, du wirst auch etwas sein. Und ist Gesang von dir kommen und süße Verkündigung, des sei gepriesen vor deinem Bruder Naphtali, den ich nun unter meine Hand rufe.«
Naphtali war eine Hirschkuh, die über Gräben setzt, und eine springende Hindin. Sein war die Hurtigkeit und der Galopp, ein rennender Schafbock war er, wenn er die Hörner einlegt und losrennt. Auch seine Zunge war hurtig, sie lieferte flinke Benachrichtigung, und schleunig reiften die Früchte der Ebene Genasar. »Rasch reifender Früchte, Naphtali, seien deine Bäume voll, und
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